Montag, 22. Juni 2015

Rassenhygiene in der Rechtsordnung der Schweiz

Wenn ein Vater Sex mit seiner 16 jährigen Tochter hat, ist das ein ganz furchtbares Verbrechen. Ob es vermeintlich "einvernehmlich" geschieht, spielt dabei keine Rolle. Eine Eltern-Kind-Beziehung beinhaltet, zumindest im Normalfall, ein gewisses gegenseitiges Vertrauen sowie ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis des Kindes gegenüber den Eltern.

Der eingangs erwähnte, hypothetische Vater befindet sich somit seiner Tochter gegenüber in einer gewissen Machtposition. Womöglich erlaubt es ihm diese, gepaart mit genügend emotionalem Druck, seine Tochter dazu zu überreden, Geschlechtsverkehr mit ihm zu haben.

Auch wenn es ihm nicht gelingt, und er statt psychischem Druck körperlichen Druck aufsetzen muss, um an sein Ziel zu kommen, ist die Wahrscheinlichkeit immer noch recht hoch, dass er die Tochter davon abbringen kann, ihn danach anzuzeigen. Mit Freiwilligkeit im eigentlichen Sinne hat das nichts zu tun.

Deshalb wäre es wirklich zu begrüssen, wenn es ein Gesetz gäbe, das innerfamiliäre sexuelle Beziehungen verbieten würde. Leider gibt es dieses Gesetz in unserem Land nicht. Es gibt lediglich ein Inzestverbot, welches ausschliesslich Verkehr zwischen Blutsverwandten unter Strafe stellt - vollkommen egal, ob diese überhaupt in einem tatsächlichen, sozialen Verwandtschaftsverhältnis zueinander stehen. Heisst: Der eingangserwähnte Vater bekommt nur Schwierigkeiten, wenn er der Erzeuger seiner Tochter ist. Seine 16 jährige Adoptivtochter kann er dagegen ungestört schänden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es denn auch nicht gross, dass der Aufschrei, der durch unsere Medien hallte, als der Bundesrat im Jahr 2010 das Inzestverbot aufheben wollte, nicht der Sorge um all jene Jugendlichen galt, die den absonderlichen Neigungen ihrer Eltern oder älteren Geschwister bald schutzlos ausgeliefert seien würden. Ne, Fachleute und Politiker waren mehr um all die "nutzlosen Esser" besorgt, welche diese Inzestpaare bald in die Welt setzen könnten. Denn die Wahrscheinlichkeit einer erblich bedingten Behinderung liegt bei einem "Inzestkind" angeblich bei bis zu 30%.

10vor10 vom 15.10.2010

Ich freue mich daher sehr darüber, dass Vater Staat mir noch keinen Keuschheitsgürtel verpasst hat: Als Träger des genetisch bedingten Marfan-Syndroms liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein von mir gezeugtes Kind dieses Syndrom erbt sogar bei 50%.

Die alten Römer hatten uns diesbezüglich übrigens einiges voraus: Ihr Inzestverbot erstreckte sich auch auf Adoptionsverhältnisse.

Die Fristenlösung


Ein anderes Beispiel für eugenisch motivierte Regelungen in der Schweiz ist die sogenannte Fristenlösung. Diese erlaubt es schwangeren Frauen bis zur 12. Woche nach der letzten Periode einen Abbruch vornehmen zu lassen. Ist diese Frist verstrichen, so muss ein Arzt bestätigen, dass mit dem Abbruch "die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann." Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist, umso grösser muss auch die durch die Abtreibung abgewendete Gefahr sein.

- Das klingt an sich vernünftig, aber auch sehr vage. In der Praxis bedeutet dieses abstrakte Geschwurbel folgendes: Nach der 14. Woche sind Abtreibungen in der Schweiz de fakto nur noch möglich, wenn das Kind behindert ist. Dieser Abtreibungsgrund zieht dann dafür - theoretisch - zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft. Es werden zwar sehr wenige Embryonen nach der 24. Woche (jenem Zeitpunkt, ab dem das Kind grundsätzlich voll entwickelt ist und als Frühchen unter optimalen Bedingungen lebensfähig wäre) abgetrieben. Das liegt aber in erster Linie daran, dass die Behinderung meistens schon vorher erkannt wird.

Grafik: Abtreibung in der Schweiz: Vergleich zwischen Gesetz und Praxis / Datenquellen: Siehe unten

Somit geniesst ein behindertes Kind bis zum Zeitpunkt seiner Geburt keinerlei Rechte, während dem ein nichtbehindertes Kind bereits dann als schützenswert angesehen wird, wenn es gerade mal ein wenig zucken und vage Sinneseindrücke aufnehmen kann.

Ich kann mir gut vorstellen, dass an diesem Punkt der Geschichte einige LeserInnen bereits schäumend vor Wut über einen bösen Kommentar nachdenken. Halten Sie bitte ein: Mir geht es hier nicht darum, das Recht auf Abtreibung in Frage zu stellen. Ich stelle lediglich fest, dass in unserem Gesundheits- und Rechtssystem eine Spätabtreibung aufgrund einer Behinderung der Devise "Pro Choice" untersteht, während dem bei anderen Gründen die Devise "Pro Life" zur Anwendung kommt. In welche Richtung diese Doppelmoral aufgelöst werden sollte, ist eine ganz andere Frage.

Es kann ja sein, dass ein Kind mit Down-Syndrom eine Frau in eine sehr grosse seelische Notlage stürzen kann. Das selbe kann aber auch dann passieren, wenn diese Frau kulturell bedingt unter dem Druck steht, einen Sohn zu gebären, es sich beim Kind aber um ein Mädchen handelt. Da hört dann aber der Spass plötzlich auf, selbst wenn noch nicht einmal die 12-Wochen-Frist abgelaufen ist.

Präimplantationsdiagnostik


Es gäbe sicher noch zahlreiche weitere Punkte zu nennen, beispielsweise die fragwürdige Verhütungspraxis mancher Behindertenheime. Worum es mir geht ist, dass es in unserem Land keinerlei Bemühungen dafür zu geben scheint, dass dieses eugenische Denken überwunden wird. Im Gegenteil: Mit der bevorstehenden zweiten Volksabstimmung über die Einführung der PID stehen die Chancen recht gut, dass diese Doppelmoral mit einem weiteren Gesetz noch tiefer in unserem Rechtssystem verankert wird. Denn auch hier gilt: Der Frau, die kein Kind mit Down-Syndrom haben möchte, wollen wir eine "Schwangerschaft auf Probe" oder einen "Eingriff im Ausland" nicht zumuten. Bei jener Frau aber, die bei ihrem Kind ein bestimmtes Geschlecht oder Augenfarbe bevorzugt, bereitet uns dies kein Kopfzerbrechen.

Ziemlich verlogen, oder?

Datenquellen Grafik bezüglich Abtreibung:

Entwicklungsstand 12. Woche
Entwicklungsstand 14. Woche
Entwicklungsstand 24. Woche
Scan-Termine
Art. 119 StGB: Strafloser Schwangerschaftsabbruch
Abtreibung nach der 14. Woche: Siehe Abschnitte "Die folgenden Angaben gelten für die Schweiz!" und "Nach der 14. Woche"

Siehe auch:

Inzestverbot im Schweizerischen StGB
Nationalrat A.H.: "Behinderte Kinder fallen der Allgemeinheit zur Last, darum ist das Verbot sinnvoll."
Kommentar zu „Bundesrat will Inzestverbot aufheben“

Wunschkinder per Bluttest soll es nicht geben

Eugenik in der Schweiz: Keine Ehe für «Erbkranke»
Der Wahn der Schweizer Rassenhygieniker

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