Mittwoch, 29. Februar 2012

Nachruf Gesellschaft, Behinderung und die Invalidenversicherung (ivinfo)

Marie Baumann aka Mia hört auf zu bloggen. Diese Hiobsbotschaft ist seit heute Morgen, ca. 9 Uhr auf ihrem Blog zu lesen. Doch warum ist das überhaupt eine Hiobsbotschaft für mich und viele andere Menschen?

Zum einen liegt es wohl daran, dass Marie Baumann, obwohl "nur" eine Bloggerin, hohe journalistische Ansprüche an ihre Arbeit stellte. Und das in einer Zeit, in der die einst seriösen Zeitungen dieses Landes grössten Teils zu Boulevard-Blättern verkommen sind, die sich für gute Verkaufszahlen für jede Propaganda bereitwillig und unkritisch hergeben. Das ist gerade für behinderte Menschen ein grosses Problem. Denn mit Behinderten-Gleichberechtigung gewinnt man keine Leser, wohl aber mit "Scheininvaliden" und "Sozialschmarotzern".

Das alleine verdeutlicht aber nicht den Verlust, den wir erlitten haben. Marie Baumanns Engagement war auch darum so bedeutsam, weil man selbiges im Behindertenwesen meistens vergeblich sucht. Während dem die neoliberale Gegenseite seit Jahren eine bis ins letzte Detail durch choreographierte Hetzkampagne gegen Behinderte betreibt, die sie geschickt hinter Missbrauchsdebatten, Spardruck und falschen Versprechungen versteckt, stehen Behindertenorganisationen, Gewerkschaften, linke Parteien und die Landeskirchen ohnmächtig in der Landschaft herum. Hie und da eine oberflächliche Betroffenheitsbekundung zur neusten gegen Behinderte ausgeheckten Scheusslichkeit ist das höchste der Gefühle.

Deshalb hat Marie Baumann in den letzten zweieinhalb Jahren hobbybloggen mehr für die behinderten Menschen dieses Landes getan, als manche professionelle Behindertenorganisation. Deshalb ist jede wirklich engagierte Person, die sich zurückzieht oder stirbt ein eigentlich nicht zu verkraftender Verlust für unsere Sache. Deshalb verlieren wir die Lust am kämpfen: Wir sind alleine, werden hängen gelassen und können kaum Erfolge feiern.

Einen Kampf zu verlieren ist an sich keine Schande. Dass wir ihn mit so wenigen Kämpfern auf diese würdelose Weise verlieren ist aber unerträglich.


Siehe auch: So long, and thanks for all the fish

Freitag, 24. Februar 2012

«Wir müssen (…) die IV-Bezüger in den Arbeits-Markt hineinmassieren.»


[Oben links ist das Zitat «Wir müssen (…) die IV-Bezüger in den Arbeits-Markt hineinmassieren.» von IV-Chef Stefan Ritler zu lesen. Darunter befindet sich ein Betonplatz auf dem ein Rollstuhlfahrer steht, auf den vier Panzer zusteuern. Der vorderste ist beschriftet mit "6. IV-Revision", der zweite mit "7. IV-Revision" usw. Im Vordergrund sehen wir noch eine Strassentafel auf der steht: "Arbeits-Markt,
Hans Arbeits (1893 – 1962), Prof. für angewandte Eugenik"]

So helfen die IV-Revisionen dabei, behinderte Menschen in den "Arbeits-Markt" "hinein zu massieren".

Siehe auch: Behindert sein ist keine Qualifikation