Sonntag, 18. Mai 2014

Schweizer Volkssagen: Hier wird berichtet allerlei vom Schicksal des Herrn Robert Frei



Abschrift:

Sein Augenlicht ist reduziert,
weshalb wenn er herumspaziert,
er einen weissen Stock benützt,
der ihn gut vor Gefahren schützt.
Er selber ist nicht völlig blind,
doch seine beiden Augen sind
vor allem in der Dunkelheit
zum scharfen Sehen nicht bereit.
Was kürzlich zu Problemen führte,
die Robert Frei sehr schmerzlich spürte.

Er wollte seiner alten Tante,
die er als Schoggi-Freundin kannte,
zum Wiegenfeste Freude machen
mit einem Päckli süsser Sachen.
Seit kurzem wohnte diese Frau
- das wusste Robert Frei genau -
in einem hohen Häuserblock
zuoberst in dem achten Stock.

Robert ging in den Lift hinein
und drückte - s'wird schon richtig sein -
im dunklen Aufzugskämmerlein
den obersten Bedienungsknopf.
Das sagte ihm sein kluger Kopf.
Hei wie der Lift nach oben fuhr!
Er brauchte zwölf Sekunden nur,
um Robert mit den süssen Dingen
zur alten Tante hochzubringen.

Nach dem Besuch fing aber dann
die Abwärtsfahrt unglücklich an.
Weil es im Lift sehr dunkel war,
wusst' unser Robert Frei nicht klar,
auf welchen Knopf er drücken sollte,
wenn er zum Ausgang fahren wollte.
Die Knöpfe hatten alle nur
- von Deutlichkeit war keine Spur -
ein graues Schildchen nebenan.
Die winzig kleine Schrift daran
war deshalb zu erkennen nicht
im Liftkabinen-Dämmerlicht.
Drum gings jetzt Robert durch den Kopf:
Ich drücke halt auf jenen Knopf,
den man als untersten noch spürt
und ganz gewiss zum Ausgang führt.

O weh, das ist die falsche Taste,
die Roberts Zeigefinger fasste.
ALARM heisst sie, auf deren Druck
der Lift steht still, macht keinen Ruck.
Die Türe ist verriegelt fest,
was unsern Robert zittern lässt.
Er ist gefangen, inhaftiert,
in enger Zelle einquartiert.
Bleibt er wohl hier für Stunden drin
Schwer ist sein Herz und schwer sein Sinn.
Die Angst plagt unsern armen Mann.
Er ist wahrhaftig übel dran.

Indessen schickt durchs ganze Haus
der LIFT-ALARM Schrecktöne aus.
Ein Abwart kommt treppauf gesprungen
vom Stockwerk 1, was seinen Lungen
bis er zuoberst angelangt,
extrem viel Leistung abverlangt.
Jetzt steht er endlich vor dem Lift,
wo er schnell Hilfsmassnahmen trifft.
Er dreht den Schlüssel - eins, zwei, drei -
und Robert Frei ist wieder frei.
Doch bleibt nach seiner "Haftentlassung"
die psychisch-physische Verfassung
für lange Zeit recht instabil.
Er zittert noch und schläft nicht viel.

Und die Moral von der Geschicht',
die folgt sogleich in dem Gedicht.
Merkts euch, ihr Architekten-Leute,
was wir erzählen hier und heute:
Beschilderungen aller Sorten
in Häusern drin und an den Pforten,
sie müssen klar erkennbar sein,
um Himmelswillen nicht zu klein.
In Liften braucht es Helligkeit
und bei den Knöpfen Lesbarkeit,
damit auch ja vermieden sei,
was unserm armen Robert Frei
passiert ist, als die Angst ihn schreckte,
weil er im Lift-Gefängnis steckte.

(In Klammern wird so nebenbei
noch kurz erwähnt: statt Robert Frei
war es ein andrer Liftbenützer,
den auf Befehl der Datenschützer
wir Euch mit seinem echten Namen
hier nicht verraten dürfen. AMEN.)

Autor: Theo Ammann / Sprecher: Silvio Rauch

Theo Ammann von der Regionalgruppe Ostschweiz des Schweizerischen Blindenbundes veröffentlichte dieses Gedicht zum Tag des weissen Stockes 2012.

Siehe auch:

Video: Der lange Weg zur Barrierefreiheit

Barrierefreiheit ist keine Frage des Wohlstands

Montag, 12. Mai 2014

Pressemitteilung appella: "Schwangerschaftsvorsorge - wie gehen wir damit um?"

Der Druck auf die Frauen, um jeden Preis ein gesundes bzw. nichtbehindertes Kind zur Welt zu bringen, ist heute grösser denn je. Die aktualisierte Broschüre zur Pränataldiagnostik "Schwangerschaftsvorsorge - wie gehen wir damit um?" der appella Telefon- Online-Beratung bietet unabhängige und umfassende Information

Symbolbild von appella, Grafik: Anna Sommer

Das „Risiko“ einer eventuell auftretenden Behinderung beim Ungeborenen wird den Frauen während der Schwangerschaft ununterbrochen vor Augen gehalten. Schweizer Ärzte und Ärztinnen stufen 70% bis 80% aller Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften ein.* Bei sogenannten Risikoschwangerschaften werden unbeschränkt viele Ultraschalluntersuchungen und eine Chorionbiopsie oder Fruchtwasserpunktion von den Krankenkassen bezahlt. Es braucht viel Kraft, dass Frauen/Paare innerhalb dieser medizinischen Strukturen ein offenes Verständnis von Leben und Zwischenmenschlichkeit bewahren können.

Die verschiedenen Verfahren machen es den Frauen auch immer schwieriger, die Angemessenheit der einzelnen Methoden einzuschätzen. So schlittern viele in die Pränataldiagnostik hinein. Statt „guter Hoffnung“ zu sein macht sich Verunsicherung breit. Die Schwangerschaft wird länger geheimgehalten. Kindsbewegungen werden nicht mehr als solche wahrgenommen. Gedanken über das zukünftige Leben mit dem Kind werden verdrängt. Die Frau fühlt sich schwanger auf Probe.

Die Pränataldiagnostik fordert uns heraus, über die eigene individuelle Situation nachzudenken, die gesellschaftliche Tragweite dieser Technologie zu erkennen und zu verstehen, um weiterhin kritikfähig zu bleiben.

Gerade dazu aber braucht jede einzelne Frau bzw. jedes einzelne Paar umfassende und vor allem auch unabhängige Information und Beratung. Wir beleuchten in dieser Broschüre eine persönliche Perspektive, geben konkrete praktische Hinweise zu den verschiedenen Verfahren und Risiken der vorgeburtlichen Untersuchungen und zeigen die damit verbundenen Zusammenhänge in der gesellschaftlichen Entwichlung auf. Den Schwerpunkt setzen wir jedoch auf eine handliche Information, die Frauen vielleicht sogar veranlasst, sich und auch ihren Ärzten und Ärztinnen neue Fragen zu stellen und sich selbst Antworten zum Thema der Schwangerschaft und zum Umgang mit Kindern zu geben - es gibt deren viele!

* Professor Mario Litschgi, Gesundheitstipp 5/2000

Bei inhaltlichen Rückfragen: info@appella.ch

Info: appella, unabhängige Telefon- und Online-Beratung, Anerkannt von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich