Mittwoch, 17. Juni 2015

Ein Foto meines Kindes wurde für eine widerwärtige Kampagne missbraucht.

Vorwort des Übersetzers


Stellen Sie sich einmal vor, Sie flanieren gemütlich durch die Fussgängerzone und stehen plötzlich vor einem Plakat, auf dem mit einem privaten Foto von Ihnen dafür geworben wird, Menschen wie Sie zu beseitigen. Wenn man das Down-Syndrom hat, muss man offenbar mit so etwas rechnen - und damit irgendwie fertig werden können.

Ein Foto meines Kindes wurde für eine widerwärtige Kampagne missbraucht.


Ich sass neben dem Bett meiner Tochter in der Onkologie der Kinderklinik, als ich es erfahren habe. Sie befindet sich im achten Monat ihrer Chemotherapie und hat noch 19 weitere Monate vor sich. Diese Woche war besonders schlimm. Wir rasten mit ihr ins Krankenhaus, als ihr Fieber einen Höchststand erreichte. Wieder.

Jeder kleine Rückschlag fordert seinen Tribut, aber sie lässt sich davon nicht lange unterkriegen. Sie ist hart im Nehmen. Hart im Nehmen, süss, lebhaft und tausend weitere positive Eigenschaften. Sie ist dieFreude unseres Lebens.

Sie hat auch das Down-Syndrom - eine Tatsache, die für andere Leute eine grössere Rolle zu spielen scheint, als für uns. Ich schreibe oft über sie auf meinem kleinen Blog. Anekdoten und Meinungen, Geschichten aus unserem ereignisreichen Leben für eine kleine, aber ermutigende Gruppe von Lesern. Ich habe meine Kinder dabei nie beim Namen genannt und nur selten Bilder von ihnen gepostet. Aber dieses eine hat gereicht.

Ihr Bild wurde gestohlen. Eine schöne Aufnahme ihres Gesichtes - eine meiner Favoriten, landete auf einer Plattform für gemeinfreie Bilder.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wurde es von dort aus von einem schweizerischen Biotechnologie-Konzern namens Genoma ein weiteres mal gestohlen. Auf der Hauptseite ihrer Internetpräsenz und auf einem riesigen Werbebanner in Spanien ist es zu sehen: Das Gesicht meiner Tochter, überlebensgross. Meine Tochter wurde zur Werbefigur für einen pränatalen Bluttest namens "Tranquility" gemacht. Als ob sie ein abschreckendes Beispiel wäre: "Lasst nicht zu, dass euch so etwas zustösst."

Das Werbebanner für "Tranquility" der Firma Genoma (Bild: soheresus.com)

Diese Kampagne ist so herabwürdigend für Menschen mit Down-Syndrom, dass sie in Spanien eine Lawine an Protestschreiben von betroffenen Eltern und Behindertenrechts-Aktivisten ausgelöst hat. Ein Elternteil wurde in einer lokalen Zeitung mit folgender Frage zitiert: "Was für eine Mutter erlaubt ihrer Tochter für eine solche Kampagne fotografiert zu werden?"*

- Ich nicht. Niemals. Ich hätte das niemals erlaubt.

Ein Leser meines Blogs, dessen Kind ebenfalls das Down-Syndrom hat, erkannte meine Tochter auf dem Bild und alarmierte uns. Ich war fassungslos. Je mehr wir recherchierten, desto schlimmer wurde es. Zu wissen, dass das passiert ist, machte mich wütend. Aber als ich es mit meinen eigenen Augen sah... ihr Gesicht auf diesem schrecklichen Werbebanner, da hat es mir das Herz gebrochen. Während dem meine Tochter mutig für ihr Leben kämpft, negiert dieser Konzern, dass dieses Leben überhaupt lebenswert ist.

Wie können die es wagen?!

Pränataldiagnostik wird für Eltern wie uns immer ein wichtiges Thema sein. Seien wir mal ehrlich: Bei einer Abtreibungsrate von 90 bis 95% geht es bei diesen Tests offensichtlich nicht darum, sich auf die Behinderung des Kindes vorzubereiten. Ich halte das für moralisch verwerflich. Aber selbst das ist nebensächlich. Die hatten einfach kein Recht dazu, meine Tochter auszubeuten, um ihr Produkt zu verkaufen.

Warum konnte ein multinationaler Konzern nicht einfach Geld für ein eigenes Photo-Shooting ausgeben? Vielleicht konnten sie einfach keine Eltern finden, die bereit gewesen wären, ihr Kind dafür herzugeben. Vielleicht haben sie auch gar nicht richtig gesucht. Wozu bezahlen, wenn man auch einfach nehmen kann?

Wir haben den Konzern direkt kontaktiert und sie darum gebeten, das Bild meiner Tochter zu entfernen. Sie haben nicht geantwortet. Ihr Bild ist immer noch zu sehen. (Update siehe unten)

Ich gebe zu, ich fühlte mich schuldig, dachte, dass es mein Fehler war: Ich hatte ihr Bild online gestellt. Ich hatte es nicht richtig für das Web präpariert. Ich hatte es versäumt, meine Tochter zu beschützen.

Dann aber habe ich realisiert, dass ich nichts falsch gemacht habe. Die haben gegen das Gesetz verstossen. Dieser herzlose Konzern, der das Bild meiner Tochter benutzt hat, ohne unser Einverständnis oder das des Fotografen einzuholen. Rechtlich gesehen ist es einerseits eine Urheberrechtsverletzung, aber sie haben auch gegen das verstossen, was man im kanadischen Urheberrecht als "Moral Rights" bezeichnet, da sie das Bild in einer für meine Tochter herabwürdigenden Art und Weise verwendet haben.

Was schlimmer (für die) ist: sie haben diesen Mama-Bären wütend gemacht.

Während dem ich zunächst in Betracht gezogen habe, sämtliche Fotos offline zu nehmen, meine Social Media-Profile zu löschen und mich für die nächsten zehn Jahre in meinem Haus zu verstecken, bin ich nun entschlossen, diese Krise zu überstehen. Wir werden nicht weichen. Wir werden uns nicht verstecken. Meine Tochter ist wundervoll und ihr Leben ist es wert, gefeiert zu werden.

Update: Mittlerweile hat Genoma das Foto unserer Tochter von der Website entfernt. Sie haben angedeutet, dass sie sich dafür entschuldigen werden. Ich glaube zwar nicht, dass ihre Aktion böswillig gewesen ist, halte das Geschehene aber für unethisch und illegal. Es ist deren Verpflichtung, das Urheberrechtsgesetz einzuhalten. Ob aus erster oder zweiter Hand: Diebstahl ist Diebstahl. Es geht hier nicht um einen Burschen, der im Keller seiner Mutter wohnt, es geht um einen multinationalen Konzern. Die haben mit Sicherheit die Ressourcen, um ein PR-Foto ausreichend zu prüfen. Ganz besonders dann, wenn das Bild ein unschuldiges Kind zeigt und für eine derart kontoverse Angelegenheit verwendet werden soll.

Diese dubiose Plattform für "gemeinfreie" Bilder hat immer noch nicht auf unser Schreiben geantwortet oder das Bild entfernt.

Wir werden uns mit einem Anwalt in Verbindung setzen.

Noch ein Update: Die "Down Syndrom"-Seite dieser Fotoplattform, welche unser Foto und mindestens zwei weitere gestohlene Fotos enthält wurde... Achtung, es kommt gleich... VOM NETZ GENOMMEN! Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich die Bemühungen von PC-bewanderten Fremden schätze, die dies nicht aus Eigennutz getan haben, sondern nur den Wunsch hatten, ein Unrecht zu korrigieren.

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*Artikel in "La Razon"

Übersetzt aus dem Englischen von David Siems / Quelle der Nachricht: Blog So Here's Us... life on the raggedy edge

Update


Eine Randnotiz zum Genoma-Skandal: Anlässlich des diesjährigen Welt Down Syndrom Tages hat die Stammzellenbank "Cryo-Save" seinen Kunden einen Rabatt auf den Tranquility-Test angeboten - und das Ganze natürlich ebenfalls mit Bildern von Kindern mit Down-Syndrom beworben. Cryo-Save ist, ebenso wie der Tranquility-Hersteller Genoma, eine Tochtergesellschaft der niederländischen Esperite-Group. Von einem Versehen kann somit nicht gesprochen werden. Menschenverachtung liegt bei der Esperite-Gruppe offensichtlich in der Familie.

Siehe auch: "Du hättest abtreiben sollen, Schlampe!"

1 Kommentar:

  1. Ich kann fassungslose Reaktion der Mutter sehrwohl verstehen....Diese Firma sollte man denonzieren.Die Tochter ist wirklich sehr fotogen, keine Frage, aber die Situation so hemmungslos auszunutzen, nicht um Erlaubnis fragen, Down-Syndrom Kinder mit diesem Produkt in Verbindung bringen.....und für die geschmacklose und verletzende Aktion nicht mal bezahlen müssen, fürchterlich!
    Kenne selbst einen Super jungen Burschi in meinem Freundeskreis mot Down -Syndrom und hoffe, dass ihm und seinen Eltern solche Leute nicht über den Weg laufen.

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