Samstag, 20. September 2014

Sozialkonferenz Kanton Zürich: Sozialkosten – bitte differenzieren

Der Fall der Gemeinde Hagenbuch macht Schlagzeilen und flugs wird wieder tüchtig auf die Sozialhilfe eingedroschen. Es gilt zu differenzieren. Die Sozialkosten einer Gemeinde im Kanton Zürich umfassen:

  • Finanzierung von Massnahmen, welche aus dem Kinder- und Erwachsenenschutz resultieren
  • Finanzierung Schulheime
  • Finanzierung freiwillige Massnahmen zu Gunsten der Kinder und Jugendlichen
  • Ergänzungsleistungen zu AHV- und IV-Renten
  • Kleinkinderbetreuungsbeiträge (KKBB)
  • Alimentenbevorschussung
  • Sozialhilfe
  • Sozialhilfe für Menschen mit dem Status „Vorläufig aufgenommene Asylsuchende“ und anerkannte Flüchtlinge
  • Beiträge an soziale Institutionen und Organisationen (z.B. Zweckverbände)

Im Fall der Gemeinde Hagenbuch handelt es sich um die Finanzierung von Heimplatzierungen und weiteren Kindesschutzmassnahmen, welche durch die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde  (KESB) angeordnet wurden. Die Gemeinde muss aktuell für die Kosten dieser Massnahmen aufkommen. Schon heute ist klar, dass es im bestehenden System immer wieder zu solchen Situationen kommen wird. Entlastet werden die Gemeinden erst, wenn neue Gesetze geschaffen werden, die eine verbesserte Kostenverteilung innerhalb des Kantons vorsehen. Das aktuell in Vernehmlassung stehende Kinder- und Jugendheimgesetz sieht eine solche Lösung vor, muss aber noch von Regierungs- und Kantonsrat verabschiedet werden.

Das Existenzminimum der Sozialhilfe ist das tiefste

Fälschlicherweise wird immer noch kolportiert, dass das Existenzminium für den Lebensbedarf exkl. Miete und Krankenkassenprämie bei der Sozialhilfe höher sei als das betreibungsrechtliche Existenzminimum. Das ist nicht der Fall. Der heutige Grundbedarf liegt bei einem Ein-Personen-Haushalt bei 986 Franken, das betreibungsrechtliche Existenzminimum bei 1200 Franken.
‚Arbeit muss sich lohnen‘ ist ein wichtiger Grundsatz des aktuellen Sozialhilfevollzuges. Deshalb erhalten Personen, die arbeiten, zusätzlich zum Grundbedarf eine Zulage als Anreiz. Die Zulagen betragen je nach Anstellungspensum im Kanton Zürich zwischen Fr. 300 und Fr. 600/Mt. Das Maximum wird in der Praxis nur in sehr wenigen Fällen ausbezahlt.


Grundbedarf Sozialhilfe
Betreibungsrechtliches Existenzminimum
Existenzminimum gemäss EL zur AHV/IV
Einzelperson
986.- CHF / Monat
1200.- CHF / Monat
1601.- CHF / Monat
Eineltern-Familie mit
1 Kind
1509.- CHF / Monat *
1750.- CHF / Monat
2437.- CHF / Monat
2 Erwachse-ne mit 2 Kindern
2110.- CHF / Monat*
2500.- CHF / Monat
4074.- CHF / Monat

Eine Arbeitsgruppe der SVP verlangt in ihrem Positionspapier bei der Sozialhilfe eine drastische Senkung des Grundbedarfs auf CHF 600.00. Da stellt sich zunächst die Frage: Wie kommt es, dass wir eine prozentual leicht steigende Zahl von Sozialhilfeberechtigten haben? Es sind zu einem hohen Prozentsatz Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt gefallen sind, die bei der Arbeitslosenkasse ausgesteuert wurden oder auf eine IV-Rente oft über mehrere Jahre warten müssen und deren Vermögen bis auf CHF 4000 für eine Einzelperson aufgebraucht ist. Für diese Personen sieht unsere Gesellschaft nur noch die Sicherung der Existenz über die Sozialhilfe vor. Zunehmend sind Menschen über lange Zeit ohne Aussicht auf Veränderung – obwohl sie dies meist mit aller Kraft versuchen - auf diese Unterstützung angewiesen. Ein Mensch, der wirtschaftlicher Unterstützung bedarf, kann in einem aufgeklärten, liberalen Staatswesen nicht der Abhängigkeit patronaler Solidarität überantwortet werden, wie es die SVP vorschlägt, welche den Gemeinden völlig freie Hand bei der Bemessung der Sozialhilfegelder geben will. Das funktioniert insbesondere dann nicht, wenn alles daran gesetzt werden soll, ihm wieder auf die Beine zu helfen.

Die SKOS-Richtlinien wurden immer wieder der Situation angepasst. Die Sozialkonferenz des Kantons Zürich hat verlangt, dass das 2005 eingeführte Anreizsystem auf dessen Wirksamkeit zu überprüfen sei. Dazu hat die SKOS eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Die SKOS hat zudem von sich aus die Überprüfung des Grundbedarfs und des  Vergleichs mit den untersten Einkommen in Auftrag gegeben. Die zwei Studien sollten Ende Jahr vorliegen und eine faktenbasierte Diskussion erlauben.

Mehr Politik in die Sozialkonferenz und die SKOS

Immer wieder wird kolportiert, die Politik sei in den Gremien der  Sozialkonferenz und der SKOS untervertreten. Im Vorstand der SKOS sind alle Kantone mit ihren Amtschefs vertreten, die Städte und Gemeinden mit 13 Fachpersonen. Es sind allerdings schon heute die kantonalen Sozialdirektoren, welche den Vorschlägen der SKOS zustimmen müssen, bevor sie als Empfehlungen veröffentlicht werden. Jeder Kanton ist danach frei, diese Richtlinien als verbindlich zu erklären.

Im Vorstand der  Sozialkonferenz des Kantons Zürich sitzen 13 politische Vertretungen, gemeldet von den Sozialkonferenzen der Bezirke, in welcher alle Sozialbehörden der Gemeinden vertreten sind. Demgegenüber haben die Bezirke insgesamt  8 Fachleute in den Vorstand delegiert. Die Politiker/innen sind also im Vorstand mit zwei Dritteln vertreten.

Wo ansetzen?

Die Diskussion über die gesellschaftliche Funktion der Sozialhilfe ist wichtig. Noch wichtiger wäre die  Debatte über die bildungs-, wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen, welche eine bestimmte Anzahl der Bevölkerung über kurz oder lang aus dem Arbeitsmarkt und damit aus der wirtschaftliche Selbständigkeit ausschliesst - mit oft stark reduzierten Chancen, je wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können. Sozialhilfe fängt nur auf, was der Arbeitsmarkt und die vorgelagerten Versicherungssysteme nicht mehr tragen. Die Sozialhilfe sichert mit zunehmender Bedeutung als letztes soziales Netz die Existenz vieler Menschen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden.

Gabriela Winkler, Co-Präsidentin Sozialkonferenz 

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