Montag, 10. Juni 2013

Zentrum für Selbstbestimmtes Leben: "Wir sind toll"

Im aktuellen Jahresbericht spart ZSL-Geschäftsführer Peter Wehrli nicht mit Eigenlob: Die meisten Ziele seien grundsätzlich erreicht, die "Revolution" habe man gewonnen. Es gehe nur noch um die Feinarbeit, für die es keine leidenschaftlichen Kämpfer, sondern pragmatische Dienstleister brauche.

Mit keinem Wort erwähnt werden hingegen die Folgeschäden zweier verheerender IV-Revisionen und der nun schon seit 10 Jahren andauernden Hetzkampagne gegen vermeintliche IV-Betrüger: Die Stigmatisierung Behinderter (insbesondere der psychisch Behinderten und Schmerzpatienten) ist heute viel extremer als noch in den 90er Jahren. Pöbeleien und Übergriffe selbst gegenüber sichtbar eingeschränkten Menschen haben zugenommen.

Viele behinderte Menschen leben heute von der Sozialhilfe oder sind vermehrt auf Ergänzungsleistungen angewiesen, weil sie von der Invalidenversicherung als "integriert" abgestempelt werden, obwohl es für sie kaum Arbeitsplätze gibt. Und in diesem Augenblick läuft gerade eine Kampagne an, die darauf abzielt die Sozialhilfe, diesen letzten Faden an dem die Existenz so vieler behinderter Menschen nun hängt, auch noch zu kappen.

Und als sei das alles nicht schon schlimm genug, haben wir mit Kat Kankas Rückzug aus der Politik und dem Tod von Aiha Zemp in den letzten Jahren gleich zwei der engagiertesten und fähigsten Kämpferinnen für die Sache der behinderten Menschen verloren.

Aber anstatt die Bemühungen des in den letzten Jahren stark geschrumpften ZSL-Team's auf diese Probleme und die Rekrutierung einer neuen Generation politisch engagierter Aktivisten zu fokussieren, wartet Peter Wehrli wenige Jahre vor seiner Pensionierung mit einer nicht gerade subtilen Kampfansage an die Adresse der Pro Infirmis auf:

„Nach der einen sehr schlimmen Erfahrung meiner Familie mit diesem Verein würde ich eher zu EXIT gehen, als zu denen mit einer Bitte um Hilfe“

Etwas mehr Bodenständigkeit, Selbstreflektion und Sinn für die Entwicklungen ausserhalb des eigenen Umfeldes würden dem ZSL gut anstehen.


Siehe auch:

Jahresbericht 2012 - Nach der Revolution / Zentrum für Selbstbestimmtes Leben

7 Kommentare:

  1. Danke für die klaren Worte, David. Von welcher Stelle wurde der ZSL-Geschäftsführer Peter Wehrli gekauft? Es ist ja undenkbar, dass Vergesslichkeit bei den Grundfesten eines ZSL beginnt.
    Sollte er aus Beweisgründen des gut "investierten" Kapitals gegenüber den Geldgebern derartigen Unsinn produzieren, sind Sinn und Zweck des ZSL obsolet geworden. Der Begriff "Selbstbestimmt" bekommt da eine ganz andere Dimension. Zur persönlichen Kampfansage, die Wehrli im Namen des ZSL niederbricht, gibt es keine Worte. Niederer geht es nicht. Die Letzten beissen wohl zuverlässig die Hunde!

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  2. @Anonym: Peter Wehrli ist nicht der Typ, der sich "kaufen" lässt und ich bin inhaltlich mit ihm nach wie vor in vielen Punkten einig. Es ist meiner Meinung nach wirklich eine Frage der Selbstwahrnehmung, bzw. der Selbstüberschätzung.

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  3. nachgefragt: übersetze ich "leidenschaftliche kämpfer" mit aktivistInnen und "pragmatische dienstleister" mit professionelle helfer richtig?

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  4. @Michèle Meyer: Vielleicht nicht gerade "professionelle Helfer". Sagen wir mal "weniger politische" Behinderte. Das ist aber sowieso nur meine Interpretation. Im Text fallen die Begriffe so nicht. Da wird alles ausschweifend umschrieben. Du kannst dir ja selber ein Bild davon machen.

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  5. Hallo David Sims

    Ich kenne pro infirmis sehr gut, aus meiner Sicht ist pro infirmis eine reine profit Organisation ( auf der Homepage von pro infirmis steht zwar non profit ist sie aber nicht) Mitarbeiter sind keine Profis. der nutzen gleich null.

    Ich werfe noch ein neues Thema ein, und zwar bedinungslose Grundeinkommen was meinst du zur bedinungslose Grundeinkommen, diverse Versicherungen fallen weg: AHV/IV, Arbeitslosen



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  6. @Anonym Nr2: Mir ist durchaus bewusst, dass es bei der Pro Infirmis gewisse Missstände gibt. Aber gerade wenn man diese untersuchen und aufdecken möchte, muss man differenziert und kritisch an die Sache heran gehen. Tut man das nicht, macht man sich und seine Arbeit unglaubwürdig. Da können dann die Recherche-Ergebnisse noch so erschreckend sein - Wenn man schon von Anfang an mit dem Vorschlaghammer an die Sache herangegangen ist, nimmt einen niemand mehr ernst.

    Ausserdem sollte man bedenken, dass da auch Gründe reinspielen, für die die Pro Infirmis selber gar nichts kann: Wenn man als behinderter Mensch bei irgend einer Stiftung Geld beantragt, zieht diese in den meisten Fällen die Pro Infirmis zu Rate. Das führt dazu, dass sich bei der PI die Dossiers stapeln und es bei der Bearbeitung zu Verzögerungen kommt. Das soll keine pauschale Entschuldigung für die PI sein. Es ist einfach etwas, was man auch bedenken muss.

    Wegen dem BGE: Ich habe durchaus gewisse Sympathien für das Konzept (Missbrauchsproblematik fällt weg, die verschiedenen Kassen können sich nicht mehr gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben etc.). Ich sehe aber auch die Kehrseite der Medaille. Monika Bütler hat dazu einen recht treffenden Blogpost verfasst (siehe die letzten beiden Abschnitte): http://www.batz.ch/2013/06/bedingungsloses-grundeinkommen-eine-absage

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  7. Ich frage mich warum der Staat die Schwächeren so diskreditiert, obwohl die Schweiz in der letzten Zeit immer wieder eins auf die Finger bekommt ( Strassburg-Menschenrechtsverletzung, Steuerdeal mit USA, Flug Lärmstreit mit Deutschland ) lernen die in Bern nichts. Auch was mit der Revision kommt ist alles andere als Sauber daraus entstehende konsequenzen.

    Wenn eine Person beim RAV und Sozialamt war und dann zur IV zahlt die IV Stelle sämtliche Ausgaben ans RAV und ans Sozialamt zurück, soviel zu Thema Schulden.




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