Dienstag, 11. Dezember 2012

"Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Kuchen essen!"

Und auch die NZZ kann es natürlich nicht lassen, kurz vor der Behandlung der IV-Revision 6b durch den Nationalrat noch ein paar Halbwahrheiten zu verbreiten. So schrieb Michael Schoenenberger letzten Samstag in seinem Artikel "Die IV-Revision nicht zerfleddern" über die Kinderrenten:

"Das sind nicht etwa Renten für Kinder, sondern Zusatzleistungen für IV-Rentnerinnen und IV-Rentner, die Kinder haben."

Natürlich bekommen Kinder von der Invalidenversicherung keine Rente ausbezahlt, das wäre ja auch ziemlich absurd. Da Kinder unmündig und somit nicht geschäftsfähig sind, fällt es in die Verantwortung der Eltern für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen. Dadurch entstehen den Eltern zusätzliche Kosten. Und da eine durchschnittliche 100%-IV-Rente nicht einmal das Existenzminimum einer Einzelperson deckt, bekommen berentete Eltern einen Zuschlag von derzeit 40% ausbezahlt. Diese Renten werden also völlig zurecht als "Kinderrenten" und nicht als "Elternrenten" bezeichnet. Es handelt sich keineswegs um eine "Belohnung" für IV-Rentner, die Kinder in die Welt gesetzt haben, wie es der Artikel anzudeuten versucht.

"Diese Zulage für Eltern fällt in der Schweiz äusserst grosszügig aus: Sie beträgt 40 Prozent der Invalidenrente. (...) Allerdings sind die zusätzlichen Mittel, die ein Haushalt mit Kindern braucht, berechenbar: Nationale und internationale Kalkulationen kommen auf Werte zwischen 20 und 33 Prozent pro Kind. Die OECD nennt 30 Prozent, die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe – sicherlich keine Sparapostelin in sozialstaatlichen Belangen – spricht von 33 Prozent."

Die zusätzlichen Kosten, die ein Kind verursacht, liegen tatsächlich bei etwa 30%. Jedenfalls geht auch das Bundesamt für Statistik (BFS) bei der Berechnung des sozialen Existenzminimums (Armutsgrenze) von diesem Wert aus. Wäre eine IV-Rente in jedem Falle existenzsichernd, wäre es also durchaus logisch, die Kinderrente auf 30% zu kürzen. Was im Artikel nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass nur die maximale 100%-IV-Rente von derzeit 2'320 Franken ausreicht, um das Existenzminimum einer Einzelperson zu decken. In so einem Fall schiesst man bei einem Kinderrentenzuschlag von 40% tatsächlich auch ohne zusätzliche Leistungen um rund 300 Franken über die Armutsgrenze für einen Erwachsenen mit Kind hinaus.

Datenquelle: SVA Zürich, Budesamt für Statistik

Das Problem: Um einen so "hohen" Rentenanspruch geltend machen zu können, muss der Versicherte vor seiner Invalidität durchschnittlich 84'000 Franken pro Jahr (das sind 7'000 Franken pro Monat) verdient haben. Die meisten Menschen verdienen aber deutlich weniger. Dementsprechend liegt auch die durchschnittliche 100%-IV-Rente bei gerademal 1'607 Franken pro Monat. 40% davon entsprechen somit bei weitem nicht den zusätzlichen Kosten, die ein Kind verursacht. Wird dieser Zuschlag jetzt auch noch auf 30% gekürzt, sieht die Sache noch schlimmer aus:

Datenquelle: SVA Zürich, Bundesamt für Statistik


"Seit Einführung der IV-«Kinderrenten» sind zudem Leistungen in anderen Bereichen hinzugekommen: So besteht mittlerweile in der zweiten Säule zusätzlich Anspruch auf Kinderzulagen in der Höhe von 20 Prozent der IV-Rente nach BVG."

Zunächst einmal: Eine "IV-Rente nach BVG" gibt es nicht. Nur die IV entrichtet "IV-Renten". Die Pensionskassen entrichten "Invalidenrenten nach BVG". Das ist nicht das Selbe. Die Höhe dieser Rente beträgt jährlich 6.8% des theoretischen Altersguthabens der 2. Säule. Auch hier profitieren also wieder in erster Linie jene Leute, die gut verdient haben und viel in die 2. Säule einzahlen konnten. Wer gar nie arbeiten konnte oder zu wenig verdient hat, um in eine Pensionskasse aufgenommen zu werden, geht in diesem Punkt sogar komplett leer aus.

"Zu nennen sind auch die Ergänzungsleistungen und die Familienzulagen."

Die Familienzulagen betragen 200 Franken für unter 16-Jährige und 250 Franken für über 16-Jährige. Auch das reicht schon heute in vielen Fällen nicht aus, um die Armutsgrenze zu erreichen. An dieser Stelle die Ergänzungsleistungen ins Spiel zu bringen, macht wiederum überhaupt keinen Sinn. Die EL kommt ja immer erst dann zum Tragen, wenn das existenzsichernde Einkommen unterschritten wird. Das ist ja einer der Kernkritikpunkte der Gegner der Kinderrentenkürzung: Dass die Kosten damit lediglich in die EL verlagert werden.

So viel zum Thema Kinderrenten. Ich bin bei meinen Ausführungen ja immer von einem zu 100% invaliden Erwachsenen mit einem Kind ausgegangen, dessen Beitragsdauer keine Lücken aufweist, um die sehr komplizierte Thematik halbwegs verständlich aufarbeiten zu können. Je nachdem, ob es einen Partner mit zusätzlichem Einkommen gibt, der Invaliditätsgrad weniger als 100% beträgt oder für mehr als ein Kind gesorgt werden muss (= höhere Armutsgrenze), kann die Rechnung besser oder schlechter ausfallen. Natürlich gibt es auch noch zig weitere Faktoren, die einen Einfluss haben können. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die Kinderrentenkürzung vielen Rentnern finanzielle Probleme bereiten wird und somit eben tatsächlich nicht sozialverträglich ist.

Reisekosten

Hier machen wir es kurz und bündig:

"Stehen medizinische Massnahmen an, soll auf die Behinderung der versicherten Person geschaut werden. So werden die Mehrkosten eines Transports zurückerstattet, die aufgrund eines Geburtsgebrechens oder einer zerebralen Lähmung entstehen. IV-Rentner mit einer psychischen Behinderung können aber öffentliche Verkehrsmittel benutzen, sie brauchen kein Behindertentaxi."

Selbstverständlich gibt es psychische Behinderungen, die dazu führen, dass jemand die öffentlichen Verkehrsmittel gar nicht, oder nur in Begleitung benutzen kann. Jemand mit einer schweren Angststörung (Platzangst, Panikstörung, etc.) wird sich beispielsweise kaum mit fremden Leuten in einem vollbesetzten Bus aufhalten können.

Zum Autor

Bei Michael Schoenenberger, dem Verfasser dieses schlecht recherchierten, süffisant-polemisch formulierten Artikels, handelt es sich übrigens um einen erfahrenen Journalisten mit akademischem Hintergrund und dem Themenschwerpunkt "Sozialversicherungen". Oder anders gesagt: Es handelt sich um jemanden, der eigentlich ein Bisschen Ahnung vom Thema haben müsste und wissen sollte, was sauberer Journalismus ist und was nicht. Deshalb lässt sich das Zustandekommen dieses Artikels eigentlich nur mit einer realitätsfremden, dekadenten Haltung des Autors gegenüber den schwierigen Lebensumständen invalider Personen erklären. Oder, um es mit den Worten von Rousseau zu sagen: "Endlich erinnere ich mich des Notbehelfs einer grossen Prinzessin, der man sagte, die Bauern hätten kein Brot, und die antwortete: Dann sollen sie Brioche essen!"

Siehe auch

Die IV-Revision nicht zerfleddern

"Kinderrenten braucht es so nicht mehr"

Sonntag, 9. Dezember 2012

Vier Menschen mit Übergewicht brechen aus dem Alltag aus

Mittagessen in der Pizzeria Dara in Schwamendingen, Punsch trinken am Märt sowie ein Abendessen in Dübendorf: Dies alles erleben vier Menschen mit Übergewicht am Wochenende.

Rolf ist ein dicker Mann. Er sitzt neben Maya Streich, ausgebildet in Ernährungs- und Fitnessberatung, auf dem Sofa im Feriendomizil, dem Hotel/Restaurant Jägersburg in Dübendorf. Warum Rolf keinen Nachnamen hat, wissen wir auch nicht. In der Hand hält er eine Fernbedienung, mit der er jeweils durchs komplette Programm zapped, so lange, bis er beim letzten Sender angekommen ist. Dann beginnt er wieder von vorne.

Plötzlich steht Rolf auf und marschiert schnurstracks zur Minibar. Sein Interesse gilt den Schokoriegeln und den gesalzenen Nüssen. Sanft aber bestimmt wird er von der Ernährungs- und Fitnessberaterin wieder zum Sofa gelotst. Dieses Ritual wiederholt sich mehr als einmal. Ganz anders der 32-jährige Mathias, der genau wie Rolf ebenfalls keinen Nachnamen zu besitzen scheint. Er verhält sich ruhig, hört zu. «Mathias' Übergewicht rührt eher daher, dass er sich zu wenig bewegt. Er isst eigentlich nicht viel mehr, als ein "normaler" Mensch», erklärt Streich.

Eine Bereicherung des Alltags

Auf Stühlen, auf ihren dicken, warmen Hintern sitzen zwei Frauen. Ihre Diagnose: Hormonell bedingtes Übergewicht. Die beiden heissen "42-Jährige" und "58-Jährige".  Kurz vor 18 Uhr macht sich die Gruppe dann auf, um im Restaurant Hecht in Dübendorf fein essen zu gehen. Zur Feier des Tages bekommen Mathias und Rolf, in deren Mitte der Ernährungsberatungsassistent und Nachnamenbesitzer Reto Lang sitzt, ein Bier. Für alle Feriengäste wird bestellt, was sie nicht noch dicker macht.

Siehe auch

Vier Menschen mit Behinderung brechen aus dem Alltag aus

All die fröhlichen Gesichter

Samstag, 8. Dezember 2012

Evaluation der 5. IV-Revision: Schöngeredete Zwischenbilanz


Lange Zeit wurde von Behindertenorganisationen und anderen Kritikern der 6. IV-Revision bemängelt, dass man den Revisions- und Sparkurs unter dem Titel "Eingliederung vor Rente" ungebremst fortführt, obwohl noch gar keine wissenschaftliche Auswertung über die Wirksamkeit der 5. IV-Revision vorliege.

Pünktlich zur bevorstehenden Behandlung der IV-Revision 6b durch den Nationalrat am nächsten Mittwoch lieferte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) nun genau das. Und schon in der Einleitung der dazugehörigen Pressemitteilung lässt das BSV keinen Zweifel daran aufkommen, dass die 5. IV-Revision ein voller Erfolg ist und der eingeschlagene Kurs unbedingt fortgeführt werden sollte:

Bern, 07.12.2012 - Die 5. Revision hat die Invalidenversicherung (IV) auf den gewünschten Kurs gebracht. Das zeigt eine erste Evaluation der Gesetzesrevision nach vier Jahren Erfahrungen im Vollzug. Der Kulturwandel von einer Renten- zu einer Eingliederungsversicherung, der mit der 5. IV-Revision angestrebt wurde, ist tatsächlich vollzogen worden und lässt sich wissenschaftlich nachweisen.

Auch der Rest der Medienmitteilung  strotzt geradezu vor Lobeshymnen auf diesen sogenannten "Kulturwandel", dessen Erfolg natürlich auf die gute Arbeit der IV-Stellen und deren Mitarbeitenden (und nicht etwa auf das Engagement der Versicherten) zurück zu führen sei. Kein Aspekt der Gesetzesrevision wird hinterfragt. Es wird lediglich bemerkt, dass die IV-Stellen diese neuen Möglichkeiten noch nicht vollumfänglich ausschöpfen würden.

Dass eine so umstrittene Gesetzesrevision einer wissenschaftlichen Analyse in allen Punkten so mühelos standhält, ist schwer vorstellbar. Und tatsächlich: Der eigentliche Bericht geht mit dem Thema wesentlich differenzierter um. Auf den Seiten 125 bis 127 wird das besonders deutlich. Dort geht es nämlich um den eigentlichen Kern der ganzen Integrations-Frage. Nämlich darum, wie viele Personen nach Abschluss des IV-Verfahrens einen Arbeitsplatz haben.

Datenquelle: BSV / Forschungsbericht Nr. 13/12"Eingliederung vor Rente"

Vor Inkrafttreten der Revision waren es 40% der angemeldeten Personen, nach Inkrafttreten 44%. Das ist eine leichte Steigerung und somit an und für sich kein schlechtes Resultat. Aber das als "Kulturwandel von einer Renten- zu einer Eingliederungsversicherung" zu bezeichnen, ist doch ziemlich realitätsfremd. Immerhin stehen immer noch 56% der angemeldeten Personen am Ende des Verfahrens ohne Arbeitsplatz da. Und dass die dann eine Rente bekommen, ist alles andere als sicher. Denn auch wenn man nach Abschluss einer Integrationsmassnahme keinen Job hat, kann einen die IV dennoch als voll arbeitsfähig einstufen. Mit welchen Methoden die IV das selbst bei eindeutig invaliden Personen bewerkstelligt, wurde in den Medien schon ausführlich thematisiert (Stichwort: Gutachten, päusBonoG's, etc.).

Noch schlimmer sieht es übrigens bei jenen Versicherten aus, die zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der IV bereits erwerbslos sind. Hier ist der Anteil derer, die am Ende des Verfahrens einen Job haben, bei bescheidenen 20% gleich tief wie vor Inkrafttreten der Revision. Das ist schon sehr bedenklich, da es sich bei dieser Gruppe ja um die eigentlichen Integrationsfälle handelt. Denn jemand, der zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der IV noch eine Stelle hat, wird ja nicht wirklich integriert. In so einem Fall geht es lediglich darum, den womöglich drohenden Verlust des Arbeitsplatzes zu verhindern, was, wie die Praxis zeigt, weitaus weniger anspruchsvoll ist.

In zwei Punkten muss ich dem BSV aber zustimmen: Die Invalidenversicherung macht einen Kulturwandel durch und dieser führt sie tatsächlich weg von ihrer Rolle als Rentenversicherung. Doch sie verwandelt sich keineswegs in eine Eingliederungsversicherung, sondern in eine Behörde, die in vielen Fällen in erster Linie darum bemüht ist, sich möglichst schadlos aus der Affäre ziehen zu können.

Siehe auch




Montag, 26. November 2012

Spendengala "Licht ins Dunkel" (Österreich)

Auch dieses Jahr findet am Heiligabend im ORF wieder die Spendengala "Licht ins Dunkel" zu Gunsten sozial benachteiligter und behinderter Menschen statt.
[Texteinblendung: "Licht ins Dunkel - 24. Dezember 2012, ORF" Ein Mann mit Anzug läuft eine Kellertreppe hinunter. Unten angekommen, öffnet er die Tür zum Keller und macht das Licht an. Im Keller sitzt ein Herr mit einem hässlichen alten Pullover in einem klapprigen Rollstuhl, in dessen Schoss ein Filzhut liegt. Er blickt überrascht zum Besucher auf. Dieser greift wortlos zu seiner Brieftasche, nimmt eine Münze heraus und wirft sie in den Hut des Rollstuhlfahrers. Der Rollstuhlfahrer schaut verdutzt auf die Münze in seinem Hut und dann wieder zum Besucher auf. Der Besucher steckt seine Brieftasche wieder weg, löscht das Licht, winkt noch kurz und schliesst die Türe wieder. Texteinblendung: "Lieber ORF, lass das Licht doch einfach das ganze Jahr an."]

Siehe auch 

Der lange Schatten von "Licht ins Dunkel"

Adventkalender "NICHT ins Dunkel" 2009 - Die Kraft des Augen-Klicks

Sonntag, 25. November 2012

Herr Burkhalter, wie war das nochmal mit dieser IV-Revision?

Vor einigen Tagen ist auf Youtube ein Video aufgetaucht, in dem der ehemalige Sozialminister Didier Burkhalter die IV-Revision kurz und leicht verständlich erklärt. Aber sehen Sie selbst:


 

[Auf dem Bildschirm ist ein Text zu sehen, der Didier Burkhalter folgene Frage stellt: "Herr Burkhalter, wie war das nochmal mit dieser IV-Revision?" Danach sieht man Didier Burkhalter in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen, in dem er sagt: "Wir nehmen den Behinderten nichts weg." Das Bild friert sofort ein und Didier Burkhalters Nasenspitze beginnt zu wachsen. Dazu hustet jemand im Hintergrund.]

Siehe auch

Auch als Nebendiagnose dienen PÄUSBONOG’s als Grund für Rentenaufhebungen 

Hauptsache, wir sind die Leute los

Sonntag, 12. August 2012

Schweizer Volkssagen: Azelle Bölle schelle



Abschrift:

Azelle Bölle schelle, de Hans de chunt vo Walliselle.
Laufe chan er nöd ällei, dänn er hät ganz chrummi Bei.
Scho sitt Geburt gahts im eso, das macht in ganz und gar nöd froh,
dänn tBehinderig isch s'eine, aber mer dörf au nöd verneine:
Wänn er en Umfall gha hetti, so wie bim Sport de Beltrametti,
wäri er, nur so zum Spass, i de Sändig "Wetten dass"
ines fahrends Auto grännt, het sich debi sis Mark durtrännt,
het meren inere Schlucht une gfunde, übersäht mit schwäre Wunde,
will er ab de Brugg isch gumped, mer seit dezue au "Bungee jumped",
mit eme altersschwache Seil, fänd mer das irrsinnig geil.
Es wärem mit Sicherheit passiert, dass im jede applaudiert,
will er en Optimischt isch blibe, sich sin Muet nöd lat ustrybe.
Zum Aeschbacher wür er ga, det chönt er sini Wysheit usela,
dass alls nur e Frag vom Wille segi und jede e zweiti Chance hegi,
sis Läbe wider in Griff zbringe, mer müess sich nur chly dezue zwinge.
Ja, wer sini Gsundheit gitt für nüt, de isch en Held für ganz vill Lüt,
und mit allgemeiner Sympathie, isch es eifach optimistisch zsi.
Doch wer scho immer so isch gsi, dem rüeft mer anders hinedri:
"Wärum laht mer das Chind nu lide? Het mers nöd chöne abtribe?
Es wott mer gar nöd gfalle, dass mir für söttigi müend zalle."
Es git kei Ruhm und au kei Gäld für de Hans i dere Wält.

Stimme: Silvio Rauch / Text: David Siems

Übersetzung für Nicht-Zürcher:

Anzählen Zwiebeln schälen, Hans kommt aus Wallisellen.
Laufen kann er nicht alleine, denn er hat ganz krumme Beine.
Schon seit Geburt geht es ihm so, das macht ihn ganz und gar nicht froh,
denn die Behinderung ist das eine, aber man darf auch nicht verneinen:
Wenn er einen Umfall gehabt hätte, so wie beim Sport der Beltrametti (ehem. Skifahrer),
wäre er, nur so zum Spass, in der Sendung "Wetten dass"
in ein fahrendes Auto gerannt, hätte sich dabei sein (Rücken-)Mark durchtrennt,
hätte man ihn in einer Schlucht gefunden, übersäht mit schweren Wunden,
weil er von der Brücke gesprungen ist, man sagt dazu auch "Bungee gejumpd",
mit einem altersschwachen Seil, fände man das irrsinnig geil.
Es wäre ihm mit Sicherheit passiert, dass ihm jeder applaudiert,
weil er ein Optimist geblieben ist, sich seinen Mut nicht hat austreiben lassen.
Zum Aeschbacher (Talk-Show-Moderator) würde er gehen, dort könnte er seine Weisheit von sich geben,
dass alles nur eine Frage des Willens sei und jeder eine zweite Chance habe,
sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, man müsse sich nur ein Bisschen dazu zwingen.
Ja, wer seine Gesundheit hergibt für nichts, der ist ein Held für ganz viele Leute,
und mit allgemeiner Sympathie, ist es einfach optimistisch zu sein.
Doch wer schon immer behindert gewesen ist, dem ruft man anderes hinterher:
"Warum lässt man dieses Kind nur leiden? Hätte man es nicht abtreiben können?
Es will mir gar nicht gefallen, dass wir für solche bezahlen müssen."
Es gibt keinen Ruhm und auch kein Geld für den Hans in dieser Welt.

Samstag, 23. Juni 2012

Geschönte Zahlen bei der Invalidenversicherung (Quelle: SALDO Nr. 12 , 20. Juni 2012, Autor: Eric Breitinger)

Die Invalidenversicherung übertreibt ihren Erfolg bei der Betrugsbekämpfung. Die publizierten Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen.

Der „Tagesanzeiger“ titelte mit : „320 IV- Betrüger aufgeflogen“.“320 IV-Betrüger blieben hängen“, schrieb die „Berner Zeitung“. „320 IV-Betrüger sind letztes Jahr aufgeflogen“ meldete die „Basler Zeitung“. Viele Schweizer Medien übernahmen vor kurzem unkritisch die Angaben des Bundesamtes für Sozialversicherungen zur Betrugsbekämpfung in der Invalidenversicherung (IV) im vergangenen Jahr.

Nur: Bei den „320 Fällen“, in denen sich laut amtlicher Mitteilung „der Verdacht bestätigte“, handelte es sich nicht um verurteilte IV-Betrüger. Vielmehr hatten die 320 Betroffenen „ungerechtfertigt“ Renten bezogen, wie das Bundesamt auf Anfrage bestätigt. Die IV hatte ihre Renten nach einer Überprüfung gekürzt, aufgehoben und oder einen Antrag auf eine Rente abgelehnt. Mögliche Gründe: Der IV-Bezüger hatte bei einer erlaubten Teilzeitbeschäftigung ein zu niedriges Einkommen angegeben oder ein höheres Arbeitspensum nicht sofort gemeldet. Ein Sprecher des Bundesamtes behauptet auf Nachfrage, dass diese Leute eine bewusste Täuschung begangen hätten. Beweisen kann die Behörde das nicht.

Kostenersparnis: Zahlen ebenfalls frisiert

Denn in der Pressemitteilung steht auch: Nur 30 der 320 Betroffenen stehen unter tatsächlich unter Betrugsverdacht. Die IV hat gegen sie Anzeige erstattet. Doch selbst bei diesen 30 Personen ist das Strafverfahren noch nicht beendet. Längst nicht jede Anzeige führt zu einer Verurteilung. Eine Statistik über rechtskräftig verurteilte Betrüger führt die IV nach eigenen Angaben nicht.

Mit Vorsicht zu geniessen sind auch die Angaben des Bundesamtes zum angeblichen finanziellen Erfolg der Betrugsbekämpfung. Offiziell waren im letzten Jahr 40 Vollzeitangestellte damit beschäftigt. Personalkosten 6.8 Millionen Franken. Ihre Arbeit soll der IV insgesamt 100 Millionen Franken Kosten gespart haben. Das Bundesamt kommt nach eigenen Angaben auf diese Zahl, in dem es die durchschnittliche Schweizer IV-Jahresrente von 20 000 Franken mit der durchschnittlichen Bezugsdauer von 15 Jahren und den 320 Fällen multipliziert. Der Haken: Die IV hat einen Teil der 320 Renten nur gekürzt, nicht gestrichen. Zudem stehen nicht alle 320 Rentner am Anfang des Rentenbezugs. Fazit: Die Kostenersparnis ist bei weitem nicht so hoch wie angegeben.

„IV-Bezüger stehen unter einem generellen Missbrauchsverdacht“

Der Zürcher Rechtsanwalt und Sozialversicherungs-Spezialist Kurt Pfändler kritisiert die „hochgerechneten Erfolge der IV bei der Betrugsbekämpfung als übertrieben.“ Gleich tönt es bei Bruno Schmucki vom Behindertenverband Procap: „ Das Bundesamt für Sozialversicherungen bauscht mit Zahlentricks den IV-Missbrauch zum Problem auf.“ Schmucki beklagt den „politischen Flurschaden „dieser Strategie: „Wir spüren bei der täglichen Arbeit, dass alle IV-Bezüger unter einem generellen Missbrauchsverdacht stehen.“ Dabei standen im letzten Jahr letztlich nur 30 von total 275 000 IV-Bezügern unter einem konkreten Betrugsverdacht.

Samstag, 9. Juni 2012

Auszug aus einer Diskussion zum Thema Behindertenbetreuung

Ingrid Pütz:
Ist doch so, wenn die Betroffenen selbstständiger werden, brauchen sie keine Betreuer und sie wären arbeitslos. Also muss Abhängigkeit geschaffen werden.

Anja Hübner:
Dabei ist diese Befürchtung komplett unbegründet. Betreuung hat ja nichts mit Bevormundung oder Gängelei zu tun. Man kann auch betreuen ohne seinen Schützling zu einem unselbstständigen Hündchen abzurichten. Man sollte es sogar denn so ist es eigentlich vorgesehen. Aber wenn dann diese Hobbydiktatoren ankommen die der Einfachheit halber lieber Sozialpädagogik studieren um dann ganz entspannt einen Beruf auszuüben ohne tatsächlich arbeiten zu müssen, dann wird's echt unschön. Solche Leute gehören vielleicht als Trainer auf den Hundeplatz oder zu "Problem-Teenies" um die wieder auf die richtige Bahn zu zwingen, aber nicht in Bereiche in denen sie auf Wehrlose losgelassen werden. Es ist halt viel entspannter die Leute mit ununterbrochenen Anweisungen (oder z.B. in Altenheimen mit Medikamenten) ruhig zu stellen um dann in aller Ruhe mit den anderen "Betreuern" Käffchen trinken zu können, als sich wirklich mit den Schutzbefohlenen zu befassen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und umzusetzen. Da aber leider die breite Masse und vor allem auch die Gesetzgebung "froh ist dass sich überhaupt irgendjemand so etwas antut und um diese Leute kümmert"(O-Ton in einer Diskussion mit einem Berliner Politiker) wird es wohl noch ein langer und harter Kampf bis diese Zustände komplett abgeschafft sind.

Ich danke den beiden Damen, dass Sie mir erlaubt haben, das hier zu zitieren. Sie bringen es wirklich auf den Punkt.

Dienstag, 29. Mai 2012

Skandal um IV-Betrug! Untersuchung enthüllt erschreckende Zustände

Seit dem 1. August 2008 geht die Invalidenversicherung mit einem neuen Konzept gegen IV-Betrüger vor. Nachdem nun dreieinhalb Jahre lang Daten gesammelt und ausgewertet werden konnten, ergibt sich ein schockierendes Bild. Das wahre Ausmass des IV-Missbrauchs ist erschreckend, wie diese Grafik (Quelle: IV-Statistiken 2008-2011) eindrücklich illustriert:


Die blauen Balken zeigen die jeweilige Gesamtzahl aller IV-Rentner, die roten, naja, "Balken" die Anzahl aufgedeckter Betrugsfälle. Wir haben diese Grafik übrigens deshalb dreidimensional dargestellt, weil dieser ausufernde IV-Betrug auf einer zweidimensionalen Grafik mit blossem Auge nicht mehr zu erkennen gewesen wäre.

Noch skandalöser als der eigentliche Missbrauch ist aber folgendes: Obwohl sich die Anzahl jährlich aufgedeckter Betrugsfälle seit 2009 immer im dreistelligen Bereich bewegt, liegt die Anzahl der Fälle, in denen der Betrug angezeigt wird und/oder zu Unrecht bezogene Leistungen zurück gefordert werden, immer nur im zweistelligen Bereich, wie diese Grafik (Quelle: BSV) zeigt:


- Das ist schon sehr merkwürdig, ist Betrug doch ein sogenanntes Offizialdelikt, dass, genauso wie beispielsweise Mord, in jedem Fall strafrechtlich verfolgt wird.* Dass unsere Kuscheljustiz hier so nachsichtig, um nicht zu sagen fahrlässig mit angeblich überführten Verbrechern umgeht, ist für jeden aufrechten Steuerzahler mehr als ärgerlich.

Der eine oder andere Gutmensch könnte deshalb leicht auf die Idee kommen, dass es sich nur bei den angezeigten Fällen um potentielle Betrüger handelt, die bis zur Urteilsverkündung als unschuldig zu gelten haben. Solche Wirrköpfe könnten dem BSV und den Medien vorwerfen, dass sie all die anderen IV-Betrüger, welche von der IV überführt aber nicht angezeigt wurden, mit ihrem Betrugsvorwurf verleumden, um die Bevölkerung gegen IV-Rentner aufzuhetzen.

Jetzt mal im Ernst: Die bislang publizierten Betrugszahlen sind vor diesem Hintergrund komplett wertlos. Betrug ist ein klar definierter Straftatbestand, dem die Justiz in jedem Fall nachgehen MUSS. Tut sie das nicht, liegt das daran, dass kein begründeter Verdacht besteht. Das heisst z.B. für 2011, dass von den 320 als Betrüger bezeichneten Personen 290 total unschuldig sind, während dem die restlichen 30 lediglich verdächtig sind, einen Betrug begangen zu haben.

Nur rechtskräftig verurteilte Personen sind überführte Betrüger und diese Zahlen veröffentlicht das BSV nirgends - aus gutem Grund. Was Medien und Bundesamt da von sich geben, ist Verleumdung gegenüber den überprüften Personen und sollte endlich unterbunden werden.


*Art. 146 StGB

Betrug

1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Art. 22 StGB

Strafbarkeit des Versuchs

1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.


Siehe auch:

BSV: Betrugsbekämpfung in der IV 2011

Schweizer Fernsehen: Massnahmen gegen IV-Betrug sind erfolgreich

20 minuten: Kampf gegen IV-Betrug bringt 100 Millionen

Blick: Betrugsbekämpfung bei der IV spart 100 Millionen Franken ein

Tages Anzeiger: 320 IV-Betrüger aufgeflogen

NZZ: Betrugsbekämpfung in der IV zahlt sich aus

Der Bund: 320 IV-Betrüger aufgeflogen

Dienstag, 17. April 2012

Denunzieren als Volkssport neu auch in der Schweiz

Die IV-Stelle Thurgau unterhält schon seit längerem ein Online-Formular, auf dem man seine Mitmenschen anonym als Scheininvalide anschwärzen kann. Offenbar sind jetzt auch Solothurn und Luzern auf diesen Zug aufgesprungen.

ZSL Schweiz hat jetzt dazu aufgerufen, diese Meldeformulare zu nutzen, um die IV-Stellen für ihr Vorgehen zu kritisieren. Ich habe genau das getan und fordere Jede/n der das liest dazu auf, das selbe zu tun.

Meine Beschwerde:

"Sehr geehrte Damen und Herren

Als geschichtsbewusster Bürger dieses Landes möchte ich Ihnen sagen, dass mich Ihr Vorgehen zutiefst anwidert. Leute dazu auf zu rufen, ihre Nachbarn anonym anzuschwärzen ist eines Rechtsstaates unwürdig und erinnert an die dunkelsten Kapitel der jüngeren europäischen Vergangenheit.

Um Missbräuche aufdecken zu können, stehen Ihnen genügend lautere, sittenkonforme Instrumente zur Verfügung. Diese machen es überflüssig auf gehässige Querulanten, deren Glaubwürdigkeit ohnehin bestenfalls fragwürdig ist, zurück zu greifen. Wir leben hier nicht in der DDR.

Freundliche Grüsse von einem Bürger, der zu seinen Äusserungen mit seinem Namen stehen kann.

David Siems"


Siehe auch:

Spitzelformular Thurgau
Spitzelformular Solothurn
Spitzelformular Luzern

Mittwoch, 29. Februar 2012

Nachruf Gesellschaft, Behinderung und die Invalidenversicherung (ivinfo)

Marie Baumann aka Mia hört auf zu bloggen. Diese Hiobsbotschaft ist seit heute Morgen, ca. 9 Uhr auf ihrem Blog zu lesen. Doch warum ist das überhaupt eine Hiobsbotschaft für mich und viele andere Menschen?

Zum einen liegt es wohl daran, dass Marie Baumann, obwohl "nur" eine Bloggerin, hohe journalistische Ansprüche an ihre Arbeit stellte. Und das in einer Zeit, in der die einst seriösen Zeitungen dieses Landes grössten Teils zu Boulevard-Blättern verkommen sind, die sich für gute Verkaufszahlen für jede Propaganda bereitwillig und unkritisch hergeben. Das ist gerade für behinderte Menschen ein grosses Problem. Denn mit Behinderten-Gleichberechtigung gewinnt man keine Leser, wohl aber mit "Scheininvaliden" und "Sozialschmarotzern".

Das alleine verdeutlicht aber nicht den Verlust, den wir erlitten haben. Marie Baumanns Engagement war auch darum so bedeutsam, weil man selbiges im Behindertenwesen meistens vergeblich sucht. Während dem die neoliberale Gegenseite seit Jahren eine bis ins letzte Detail durch choreographierte Hetzkampagne gegen Behinderte betreibt, die sie geschickt hinter Missbrauchsdebatten, Spardruck und falschen Versprechungen versteckt, stehen Behindertenorganisationen, Gewerkschaften, linke Parteien und die Landeskirchen ohnmächtig in der Landschaft herum. Hie und da eine oberflächliche Betroffenheitsbekundung zur neusten gegen Behinderte ausgeheckten Scheusslichkeit ist das höchste der Gefühle.

Deshalb hat Marie Baumann in den letzten zweieinhalb Jahren hobbybloggen mehr für die behinderten Menschen dieses Landes getan, als manche professionelle Behindertenorganisation. Deshalb ist jede wirklich engagierte Person, die sich zurückzieht oder stirbt ein eigentlich nicht zu verkraftender Verlust für unsere Sache. Deshalb verlieren wir die Lust am kämpfen: Wir sind alleine, werden hängen gelassen und können kaum Erfolge feiern.

Einen Kampf zu verlieren ist an sich keine Schande. Dass wir ihn mit so wenigen Kämpfern auf diese würdelose Weise verlieren ist aber unerträglich.


Siehe auch: So long, and thanks for all the fish

Freitag, 24. Februar 2012

«Wir müssen (…) die IV-Bezüger in den Arbeits-Markt hineinmassieren.»


[Oben links ist das Zitat «Wir müssen (…) die IV-Bezüger in den Arbeits-Markt hineinmassieren.» von IV-Chef Stefan Ritler zu lesen. Darunter befindet sich ein Betonplatz auf dem ein Rollstuhlfahrer steht, auf den vier Panzer zusteuern. Der vorderste ist beschriftet mit "6. IV-Revision", der zweite mit "7. IV-Revision" usw. Im Vordergrund sehen wir noch eine Strassentafel auf der steht: "Arbeits-Markt,
Hans Arbeits (1893 – 1962), Prof. für angewandte Eugenik"]

So helfen die IV-Revisionen dabei, behinderte Menschen in den "Arbeits-Markt" "hinein zu massieren".

Siehe auch: Behindert sein ist keine Qualifikation

Samstag, 14. Januar 2012

Interessante Vergleiche zum Thema Invalidenversicherung

Betrachtet man die allgemeine Berichterstattung rund um die Invalidenversicherung, so könnte man meinen, diese Versicherung hätte ein gigantisches Missbrauchsproblem, würde horrende Renten auszahlen und hätte einen unvergleichlich riesigen Schuldenberg. Interessant daran ist, dass man sich mit der Veröffentlichung konkreter Zahlen in der Regel stark zurück hält. Kein Wunder, denn besagte Zahlen lassen die Lügengebilde rund um Scheininvalide und ihr angebliches Paschaleben wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen.


IV-Missbrauch im Vergleich mit anderen Formen von Versicherungsbetrug in Prozent der Schadensmeldungen.

Invalidenversicherung: 0.2%
Fahrzeugversicherungen: 10.0%
Hausratsversicherungen: 15.0%
Privathaftpflichtversicherungen: 25.0%


Versicherungsbetrug im Vergleich. Aufgedeckte Fälle von ergaunerten Leistungen in Millionen Franken nach Versicherungsgesellschaft.

Invalidenversicherung (2010): 5.6 Mio CHF
Allianz Suisse (2010): 18.0 Mio CHF
Axa Winterthur (1. Halbjahr 2010): 26.0 Mio CHF
Suva (2009): 32.0 Mio CHF

(Es war leider sehr schwierig einigermassen aktuelle Zahlen zu finden. Wenn Sie noch Infos zu anderen grossen Versicherungsgesellschaften haben, schreiben Sie bitte den entsprechenden Link in einen Leserkommentar.)


Jährliche durchschnittliche Kosten eines IV-Rentners im Vergleich mit einem Landwirten, einem Nationalrat, einem Ständerat und einem Alt-Bundesrat.

Rente IV-Bezüger: 17'220 CHF*
Direktzahlungen Landwirt: 40'410 CHF
Bezüge Nationalrat: 133'000 CHF
Bezüge Ständerat: 151'000 CHF
Rente Alt-Bundesrat: 215'000 CHF

*Das sind gerade einmal 1'435 Franken pro Monat.


IV-Schulden im Vergleich mit der Finanzhilfe für die UBS in Milliarden Franken.

Schulden Invalidenversicherung (2012): 15 Mia CHF
Finanzhilfe UBS: 68 Mia CHF
___________________________________________________________

Quellenangaben

1. Grafik

Missbrauchsanteil IV:

http://www.agile.ch/missbrauchspolemik

(In diesem Artikel wird darüber berichtet, dass nach 108'000 überprüften Dossiers 240 Betrüger gefunden wurden. Das wären 0.22% der überprüften Dossiers. Da es insgesamt nur 280'000 IV-Rentner gibt, kann man diesen %-Anteil als repräsentativ betrachten.)

Missbrauchsanteil andere Versicherungen:

http://www.betrugsabwehr-netzwerk.com/Informationen/Fakten/fakten.html

2. Grafik

Ergaunerte Leistungen Invalidenversicherung:

http://www.bsv.admin.ch/aktuell/medien/00120/index.html?lang=de&msg-id=40068

Allianz Suisse:

http://www.presseportal.ch/de/pm/100008591/100607446/allianz-suisse-versicherungsbetrug-nimmt-gerade-in-der-ferienzeit-zu

Axa Winterthur:

http://www.20min.ch/finance/news/story/23524638

Suva:

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Suva-Vertrauen-ist-gut-Kontrolle-ist-besser/story/23227158

Freitag, 13. Januar 2012

Ihr Privatleben - Jetzt in Ihrer IV-Akte


Die SVP präsentiert
Nach einer Revision des Schweizer Parlaments
Bundesgericht und Invalidenversicherung in
1984 - IV-Detektiv is watching you
Ihr Privatleben - Jetzt in Ihrer IV-Akte

Weitere Infos zu diesem Meisterwerk finden Sie hier:

Das Balkonurteil des Bundesgerichts aus juristischer Sicht: Höchst bedenklich

Rechte der Versicherten. Bitte was?

Mittwoch, 4. Januar 2012

Schweizer Volkssagen: Ein Berner Namens Otto Grunder



Abschrift:

Ein Berner Namens Otto Grunder
packte irgendwann der Gwunder (die Neugier),
wie sich sein neues Auto fahre.
Also fuhr er damit an die Aare (Fluss).
Der Fahrer hinter ihm, das war allerhand,
hielt sich nicht an den Mindestabstand.
Grunder sah ein Reh auf der Strasse steh'n,
da musste er schnell auf die Klötze (Bremsen) geh'n.
Man hörte es quietschen und's gab einen Knall,
schon hatten die Beiden einen Auffahrumfall.
Seither litt Grunder an chronischen Schmerzen,
sein Arzt verstand's nicht diese auszumerzen.
Arbeiten konnte der Otto nicht mehr.
Grunder sah ein: Eine Rente muss her.
Die Antwort der IV kam schon bald.
Sie lautete sehr knapp und kalt:
"Betrifft den Rentenantrag von Grunder Otto.
Keine IV fürs Schleudertrauma ist unser Motto."
Doch eins wird beim Grunder sicher hängen bleiben:
"Werd nie mehr glauben, was die vom Blick schreiben."

Siehe auch:

Die Wahrheit über das Schleudertrauma

Bundesgericht: Was kümmert uns die Wissenschaft…

Montag, 2. Januar 2012

Alles Kranke ist Last - Verschollene Einleitung aufgetaucht

"Alles Kranke ist Last", Die Kirchen und die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, von Ernst Klee und Gunnar Petrich (ARD 1988)

Vielen Dank an Herrn Ates, der das Video entdeckt hat.



1. Mai 1933 in den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bei Bielefeld. Ganz alltägliche Bilder. Nicht nur in Bethel, auch in anderen Behinderten-Einrichtungen wird der "Tag der nationalen Arbeit" 1933 erstmals als Feiertag begangen.

"Alles Kranke ist Last..." - Die Kirchen und die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" / Ein Film von Ernst Klee und Gunnar Petrich

Pfingsten 1933: Evangelische Schüler des Bundes deutscher Bibelkreise treffen sich in Bielefeld. Ob jung, ob alt: Deutsche Protestanten begrüssen das Ende der Weimarer Republik. Nur wenige Wochen nach dem Machtwechsel reihen sich viele ein in die National-Sozialistische Bewegung. Die Marschkolonnen der evangelischen Schüler erreichen den Leiter der Betheler Anstalten, Pastor Friedrich von Bodelschwingh. Auch er begrüsst die nationalen Ziele der Bewegung, vor allem den Kampf gegen Gottlosentum und Bolschewismus. Am Nachmittag besucht Bodelschwingh das Reichslager des Bundes deutscher Bibelkreise. Er ist zum ersten Evangelischen Reichsbischof gewählt, wird das Amt jedoch nicht antreten.

Das Luise-Henrietten-Stift in Lehnin in der Mark Brandenburg. Im Mai 1933 besichtigen Reichskanzler Hitler und Propagandaminister Goebbels die Kirche und das Säuglingsheim mit "schwachsinnigen" Kindern. Die Diakonissen grüssen mit Heilrufen und singen "Deutschland, Deutschland über alles". Hitler schreibt ins Gästebuch: "Es wird die Zeit kommen, die millionen Deutscher ersehnen." Goebbels notiert in seinem Tagebuch über die Diakonissen: "Die Leute sind toll vor Begeisterung."

Berlin, Neukölner Stadion. Aufnahmen von einem katholischen Jugendtreffen am 20. August 1933. Hatten die katholischen Bischöfe die National-Sozialisten zunächst geächtet, so bejahen sie inzwischen die neue Regierung. Die Bischöfe glauben, dass im Juli abgeschlossene Reichskonkordat schütze den Freiraum der Kirche. Sie sehen Hitler als Retter vor Bolschewismus und Gottlosentum. Der Berliner Generalvikar, Domprobst Dr. Paul Steinmann in seiner Ansprache am katholischen Jugendtreffen im Neukölner Stadion:

"Was wir alle ersehnt haben und erstrebt haben, ist Tatsache geworden. Wir haben ein Reich und einen Führer und diesem Führer folgen wir treu. Wir wissen dass derjenige, der an der Spitze steht, von Gott uns als Führer gesetzt ist."

Selbstvertretend für andere Aussagen deutscher Bischöfe sei der Osnabrücker Bischof Wilhelm Berning zitiert. Er erklärt am 15. September 1933 bei seiner Einführung als Preussischer Staatsrat:

"Die deutschen Bischöfe haben schon längst den neuen Staat bejaht. Wir dienen dem Staat in heisser Liebe und mit allen unseren Kräften."

Düsseldorf, Kaiserswerth. Das älteste von 108 Diakonissen-Mutterhäusern. Die Diakonissen feiern im Spätsommer 1933 das 100-jährige Bestehen. Die Schwestern werden von der NSDAP gelobt, dass sie die Partei schon vor dem Machtwechsel finanziell unterstützten. Das Diakonissen-Mutterhaus steht dem Gedankengut der National-Sozialisten nicht ferne, wie der Bericht der Anstaltsleitung über die 100-Jahr-Feier zeigt. Darin heisst es:

"Es kommt gar nicht darauf an, ob der Einzelne lebt. Es gibt keinen Einzigen der ein Recht hat auf Leben, Gut oder Blut, Schutz oder Schonung, wenn es die Gemeinschaft gilt, der wir unser Dasein verdanken."

Im Mitteilungsblatt von Kaiserswerth wird 1933 ein Loblied der Diakonisse Emma Obermeier vorgestellt, "die braunen Kolonnen":

"Die braunen Kolonnen marschieren durchs Land, zum Treuschwur erhoben die rechte Hand. Wir wollen nicht ruhen, nicht rasten mehr, bis wieder leuchtet die Deutsche Ehr'. Sieg Heil! Das Hakenkreuz-Banner weht stolz voran, Neu-Deutschland, wir bauen dich - Mann für Mann. Das undeutsche Wesen zur Türe hinaus, wir kehren mit eisernem Besen das Haus. Sieg Heil!"

1933 wird das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" verkündet. Propaganda-Filme übelster Machart werben für die Unfruchtbarmachung angeblich Erbkranker. Unter das Gesetz fallen vor allem "Schwachsinnige", wozu auch politische Gegner gerechnet werden, psychisch Kranke, Epileptiker, Blinde und Taube, Menschen mit schweren Körperbehinderungen, sowie Alkoholiker.

Filmaufnahmen aus der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren im Allgäu. De Menschen sehen ganz anders aus, als die in den Propaganda-Filmen vorgeführten. Doch auch sie gehören zu dem Personenkreis, der zu sterilisieren ist. "Geisteskranke", wie man damals sagt, dürfen in diesen Jahren nicht auf den Schutz der Kirchen vertrauen. Auch Vertreter der Kirchen bezeichnen Kranke und Behinderte als minderwertig und als eine Gefahr für ihre Mitmenschen. So behauptet zum Beispiel 1934 das Jahrbuch der Caritaswissenschaft:

"Echter Caritasdienst muss Dienst der Rassenhygiene sein, weil nur durch die Aufartung des Volkes auch die beste Grundlage für die Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden geschaffen wird."

Und in den Vorschlägen des Deutschen Caritasverbandes zur Neugestaltung des Deutschen Strafrechtes heisst es 1934:

"Es mag sein, dass man durch eine Sterilisation erreicht, dass die Fortpflanzung gewisser minderwertiger Erbstämme ausgeschaltet wird. Aber eben so sicher ist, dass jeder Sterilisierte in seiner hemmungslosen und hemmungslos gemachten Geschlechtlichkeit eine Quelle ansteckender Krankheiten bilden kann und häufig bilden wird."

Siehe auch: Alles Kranke ist Last - kompletter Film inklusive Untertitel und Transkription