Samstag, 11. Januar 2014

Neulich in St. Gallen

Diesen Freitag war ich mit einer Freundin in St. Gallen. Ich mag diese Stadt. Sie ist in vielerlei Hinsicht sehr eigen und man hat oft interessante Begegnungen.

Wir besuchten das Museum im Lagerhaus, in dem Werke der Naivkunst und Art Brut zu sehen sind. Vorher assen wir in einem tibetischen Restaurant in der Altstadt zu Mittag und tranken nach einem Spaziergang zum Kloster einen Kaffee in der Nähe des Kantonalen Polizeikommandos. An der Bar sass ein Mann und las eine Zeitung. Ich hörte ihn zum Café-Besitzer sagen: "Das ist doch eine Sauerei! Menschen, die nicht arbeiten, müssen auch leben können!" Da tat ich etwas, was ich normalerweise nie mache. Ich sprach den Herrn beim Hinausgehen an und drückte ihm mit den Worten: "Das könnte Sie vielleicht interessieren" einen Flyer von selbstbestimmung.ch in die Hand. Scheinbar traf ich damit bei ihm einen Nerv...

Er: "Selbstbestimmung? Ja, da macht mir die Polizei auch Probleme. Die haben behauptet, ich hätte meine Mutter umgebracht. Dabei ist sie purlimunter. Und sie sind in meine Wohnung eingebrochen und haben mir mein Gras gestohlen. Ich könnte die Typen..."

Ich (leicht beunruhigt über unsere Nähe zur St. Galler Kantonspolizei): "Das sagt man so in der Wut..."

Er: "Dass ich einen Atomreaktor bauen wollte, hat ihnen auch nicht gepasst."

Ich: "Das ist ja sowieso eine schwierige Sache für eine Privatperson."

Er: "Nein nein, das Uran kann man im Internet kaufen. Das kostet etwa 10'000 Franken. Aber das Geld habe ich nicht beisammen."

Ich: "Ja, das ist ein teurer Spass. Wozu brauchen Sie denn den Reaktor?"

Er: "Na, um Strom zu erzeugen."

Wir verabschiedeten uns und er verliess das Café. Meine Begleiterin und ich bezahlten wenig später und brachen auch auf. Als wir dann am Spisertor auf das Trogener Bähnli warteten, hatte ich etwas Zeit, diese Erfahrung sacken zu lassen. Seine Äusserungen hatten mich im ersten Moment ein wenig aus der Fassung gebracht. Nun aber dachte ich mir: Warum eigentlich? Ich sagte zu meiner Begleiterin, die von Natur aus sehr gelassen ist und über die Szene im Café überhaupt nicht schockiert zu sein schien: "Weisst du, das ist schon schlimm. Leute wie er, die ein Bisschen exzentrisch sind, die bekommen recht schnell Probleme mit den Behörden. Dabei redet er ja eigentlich nur ein Bisschen zu offen und hat etwas unrealistische Vorstellungen von Kernphysik."

Sie: "Ich denke nicht, dass er gefährlich ist."

Ich: "Die wirklich gefährlichen sind ja die, die sich perfekt anpassen und heimlich irgendwelche Pläne schmieden."

Warum ich Ihnen das erzähle? Ich bin jetzt seit bald fünf Jahren SL-Aktivist. Ich habe in diesen fünf Jahren viel dazu gelernt und musste so manche meiner Vorstellungen komplett über den Haufen werfen. Und doch urteile ich immer noch viel zu schnell.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen