Thea Mauchle ist als Zürcher Kantonsrätin zurückgetreten. Sie nutzte das Rücktrittsschreiben, welches im Rat vorgetragen wurde, um noch ein paar kritische Gedanken zu äussern:
Zürich, 10. Dezember 2013
Rücktrittsschreiben Thea Mauchle
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen
„Es langet“ – wäre die kürzeste Antwort auf die Frage, warum ich zurücktrete, aber ich hätte noch etwas mehr dazu sagen. Ich war 2000 bis 2005 im Verfassungsrat, und zwar in der Grundrechtskommission. 2003 durfte ich in den Kantonsrat nachrutschen und stellte mir anfänglich vor, dass nun die Umsetzung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wie am Schnürchen laufen werde. Doch zum Glück habe ich seit dem „Erwerb“ meiner Behinderung vor 24 Jahren vor allem eins gelernt: Geduld.
Für manche hier galt ich vielleicht als „Hinterbänklerin“, zumal ich ja nie in einer Kommission Einsitz hatte. Ich wusste natürlich, dass erst die Kommissionsarbeit das Amt so richtig interessant machen würde. Aber schon der Besuch der Ratssitzungen und Randveranstaltungen war für mich sehr aufwendig, da mein Alltag durch die Behinderung sowieso erheblich erschwert ist. Die Zugänglichkeit zu Gebäuden wie dem Rathaus, aber auch zu anderen Sitzungsräumen und Lokalen, in denen KantonsrätInnen zu verkehren pflegen, war äusserst mühsam, wenn nicht gar unmöglich. Im Ratssaal war ich praktisch an meinem Platz „festgenagelt“ und während Sie alle an mir vorbei ins Haus hinein- oder hinausspurteten, brauchte ich für diesen Weg ganze zehn Minuten, die Hälfte davon auf dem Aussenlift. Ich kam mir oft vor wie eine Schnecke, die sich für ein Hunderennen qualifiziert hat. Die Verhältnisse im Rathaus sind sinnbildlich für die Teilnahme am öffentlichen Leben von Menschen mit Behinderung. Trotz theoretisch gleicher Rechte und Diskriminierungsverboten gibt es immer noch unzählige Hindernisse. Meine seltenen Voten zu behindertenpolitischen Vorstössen waren deshalb meist anklagend, vielleicht gar larmoyant und kaum witzig, obwohl es mir an Humor wirklich nicht mangelt. Aber allzu oft müssen wir uns schöne Sonntagsreden anhören. Ich wünsche mir dennoch, dass Sie mich nach meinem Rücktritt nicht vergessen, wenn es um das Beseitigen von Hindernissen und um das Gewähren von Zugang geht.
Ausserhalb des Kantonsrates werde ich mich weiterhin in der Behindertenkonferenz engagieren und bin dankbar um alle Kontakte, die ich in diesem Sinne weiter pflegen darf. Sehr gerne werde ich und unser Team dort mit Rat und Tat zur Verfügung stehen in Fragen der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Kanton Zürich.
Was Sie vielleicht nicht so mitbekommen haben, weil ich diese Fahne im Kantonsrat kaum je geschwungen habe: Ich bin leidenschaftliche Lehrperson, seit einigen Jahren Berufsschullehrerin für Allgemeinbildung. Dorthin zieht es mich jetzt wieder mehr und ich freue mich darauf, mein Pensum wieder etwas aufzustocken.
Ihnen allen wünsche ich weiterhin viel Freude und Erfolg auf dem parlamentarischen Spielfeld!
Freundliche Grüsse
Thea Mauchle
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