Antoinette Norris hat sich in den 18 Jahren, in denen sie ihre schwer behinderte Tochter gepflegt hat, zahlreiche Fähigkeiten erarbeitet. Aber mittlerweile hat sie das Gefühl, in der Zeit zurückversetzt worden zu sein.
"Wir machen Rückschritte", sagt die fünffache Mutter seufzend. "Vor vielen Jahren hat man zwar von Menschen mit Behinderungen gehört, sie aber niemals gesehen, weil sie vor der Gesellschaft versteckt worden sind. Das passiert jetzt wieder."
Sie spricht von ihrer Tochter Demi, die seit drei Wochen ohne eine Beschäftigung und ohne die für ihr Wohlbefinden notwendigen Therapien zu Hause festsitzt.
Demi hat das Cohen-Syndrom, ist kaum mobil, kann sich nicht verbal ausdrücken und benötigt Pflege rund um die Uhr. Sie besuchte die St. Michael's Special School in Ballymun, Dublin. Aber im April ist sie volljährig geworden und wurde daher auf das neue Schulsemester hin dem Erwachsenen-Service zugeteilt.
Als sie ihren Platz im Erwachsenenbildungs-Zentrum für Menschen mit Behinderung einnehmen wollte, gab es plötzlich keinen Transportdienst mehr für sie.
"Das Zentrum ist eine 45-minütige Busreise von uns entfernt und ich habe auch noch andere Kinder, darunter mein Jüngster, der autistisch ist. Daher kann ich Demi nicht selber dorthin bringen.", erklärt Antoinette.
Ein gemeinnütziger Fahrdienst, welcher über umgebaute Taxis verfügt, hat ihr ein Angebot gemacht. Aber die Gebühren würden sich auf 95 Euro pro Woche belaufen. "Ich bin eine alleinerziehende Mutter, die von Sozialhilfe lebt. Ich bin sehr gut im budgetieren, aber Wunder vollbringen kann ich nicht.", sagt sie.
Antoinette sagt, dass Demi ebenfalls Rückschritte macht. "Sie konnte selbständig auf die Toilette gehen, aber mittlerweile macht sie wieder in die Windeln. Sie braucht ihre Physiotherapie und ihre Logopädie und die Stimulation durch eine Gruppe. Ich muss dabei zusehen, wie sie sich Woche für Woche zurückentwickelt."
Antoinette und Demi standen gestern vor dem Regierungsgebäude und unterstützten eine kleine aber fest entschlossene Gruppe von Protestierenden der Behindertenorganisationen "Inclusion Ireland", "Centre for Independent Living" und dem "AT Network", welche die Regierung dazu auffordern, ihre Versprechungen einzulösen und das Unterstützungssystem für Menschen mit Behinderungen zu reformieren.
Einige der Protestierenden haben die vorherige Nacht auf dem Fussweg campiert, um Taoiseach (Titel des irischen Regierungsoberhauptes) Enda Kenny vor dem Meeting seines Kabinetts empfangen zu können.
Ihr Ziel bestand darin, den Schmerz aufzuzeigen, der durch die Jahre der Leistungskürzungen in der Entlastungspflege, den Fahrdienstpauschalen und anderen Diensten verursacht wurde. Ausserdem wollte man ihn daran erinnern, dass das Regierungsprogramm den Wechsel hin zu einer subjektorientierten Finanzierung der Hilfestellungen für Menschen mit Behinderungen versprochen hat. Dies hätte den Betroffenen erlaubt, selber zu entscheiden, welche Unterstützung sie benötigen und wie sie das ihnen zur Verfügung gestellte Geld ausgeben möchten.
Die Nachricht, wonach 450 Mio Euro in den Umbau von Behindertenheimen investiert werden soll, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. "Das inkludierte Leben in der Gemeinschaft ist die zeitgemässe Wohnform, aber dafür ist kein Geld vorhanden, weil man es lieber in die stationäre Pflege steckt.", sagt die 62-jährige Ann Kennedy, die Mitochondriopathie hat und einen Rollstuhl benutzt.
"Die treiben Menschen, die selbstbestimmt leben könnten in die institutionalisierte Pflege. Diese ist unheimlich, ein Heim ist keine normale, natürliche Umgebung für jemanden, der an der Gesellschaft teilhaben und sein Leben geniessen möchte.
Wir wollen persönliche Assistenz, sodass wir selber bestimmen können, wann wir aufstehen, was wir machen und wie wir uns fortbewegen. Man schreibt uns vor, welche Art von Pflege wir bekommen und wann wir sie bekommen. Wir werden unselbständig gemacht."
Ann teilt ihre Behinderung und ihre Frustration mit ihrer Zwillingsschwester Margaret. Die beiden sind Stammgäste and Protestkundgebungen, an denen sie flotte pinke Hüte tragen, welche drapiert sind mit Bändchen und Blumen. Sie lassen sich von ihren Rollstühlen nicht zurückhalten.
"Ich weiss, dass wir sehr auffallen, wenn wir mit unseren Hüten und Plakaten protestieren, aber diese Situation zersetzt unsere Zuversichtlichkeit und unser Selbstwertgefühl", sagt Ann. "Es bringt dich dazu, dich wertlos zu fühlen."
___
Übersetzt aus dem Englischen von David Siems / Quelle der Nachricht: Irish Examiner
Joar geht mir leider ähnlich
AntwortenLöschen