Sehr geehrter Herr Dr. Reitze
1988 entstand unter Federführung von Ernst Klee und Gunnar
Petrich beim Hessischen Rundfunk die Dokumentation "Alles Kranke ist Last
- Die Kirchen und die Vernichtung lebensunwerten Lebens". Behandelt wird
darin die Beteiligung der Kirchen und diakonischen Einrichtungen an der Aktion
T4, der systematischen Ermordung behinderter und kranker Menschen im Dritten
Reich. Der Film relativiert damit den Mythos des kirchlichen Widerstandes und
entlarvt so manchen gefeierten Helden als Kollaborateur.
Leider ist dieser
wichtige Film in den Archiven des Hessischen Rundfunkes verschwunden und wurde
nie mehr gezeigt. Generell scheint das Thema Euthanasie im Dritten Reich
bei den öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten kein grosses Thema zu sein -
Trotz den eskalierenden Zuständen in Pflegeeinrichtungen, den Diskussionen um
pränatale Diagnostik und Sterbehilfe und der zunehmenden Reduzierung des Menschen auf sein Kosten-Nutzen-Verhältnis
im Allgemeinen.
Da der HR kein Interesse mehr an der Dokumentation
"Alles Kranke ist Last" zu haben schien, haben wir uns vor
zweieinhalb Jahren erlaubt, im Sinne von
Art. 45a des deutschen Urheberrechtsgesetzes, eine Privatkopie des Filmes
zu digitalisieren, für sinnesbehinderte Menschen Untertitel und eine Abschrift
zu erstellen und das Ganze auf Youtube hochzuladen. Wir haben
selbstverständlich auf die beiden Macher und den Urheber des Filmes verwiesen,
wobei wir versehentlich die ARD anstatt den HR als Urheber angegeben haben. Der
Film fand seither wieder einige Beachtung und wir haben viele positive
Reaktionen bekommen.
Am 19. März diesen Jahres wurden die Videos dann aber
Aufgrund einer Beschwerde der ARD von Youtube gesperrt, was uns sehr irritiert.
Der mit GEZ-Gebühren und somit von der
Allgemeinheit finanzierte Film wurde vom HR 25 Jahre lang nicht mehr beachtet.
Erst seit wir diese barrierefreie Kopie online gestellt haben, war er für
Interessierte wieder zugänglich. Wir haben also den HR keineswegs
konkurrenziert. Auch haben wir keinerlei Werbung geschaltet, um an dem Werk
Geld zu verdienen. Wir haben ganz im
Sinne Ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages gehandelt und uneigennützig zu geschichtlicher
Aufklärung beigetragen.
Dennoch beharrt man von Seiten des HR's aus
"redaktionellen und rechtlichen Gründen" (Was das genau für Gründe
sind wurde uns nicht mitgeteilt) auf dem Veröffentlichungsverbot, ohne eine
Alternative anzubieten. Auch behinderte
Menschen haben ein Recht auf ihre Geschichte und wir bitten Sie, Herr Dr.
Reitze, dieses Recht zu respektieren und dafür zu sorgen, dass der Film
wieder in einer barrierefreien Weise öffentlich zugänglich gemacht wird - Sei
dies nun, in dem Sie uns erlauben, den Film wieder online zu stellen, oder in
dem Sie ihn auf einer eigenen, für behinderte Personen zugänglichen Plattform zur
Verfügung stellen, sodass wir darauf verlinken können. Die Untertitelte
Privatkopie sowie die Abschrift stellen wir Ihnen gerne zur freien Verfügung.
Hochachtungsvoll, David Siems
Grob fahrlässiger Umgang mit der historischen Last des Monströsen in öffentlich-rechtlicher Verantwortung:
AntwortenLöschensogar nach 70 Jahren werden unbequeme Wahrheiten über Kontinuitäten und Beitragstaten zum
- eugenisch-ökonomistisch begründeten,
- rassenideologisch-menschenökonomisch motivierten,
- staatlich durchorganisierten,
- durch viele Instanzen und Institutionen ermöglichten und realisierten,
- fast gesamtgesellschaftlich gebilligten und
- ein halbes Jahrhundert lang nahezu verschwiegenen
Kapital-Systemverbrechen des systematisch-industriellen Massenmordes und Ausrottungsversuches der als "lebensunwert" und unheilbar eingestuften schwerbehinderten und kranken Menschen weiterhin unterdrückt.
Diesmal mit äußerst fadenscheinigen Begründungen.