Donnerstag, 28. März 2013

Offener Brief an Dr. Helmut Reitze (Intendant #hr) bezüglich #Euthanasie im Dritten Reich

Sehr geehrter Herr Dr. Reitze

1988 entstand unter Federführung von Ernst Klee und Gunnar Petrich beim Hessischen Rundfunk die Dokumentation "Alles Kranke ist Last - Die Kirchen und die Vernichtung lebensunwerten Lebens". Behandelt wird darin die Beteiligung der Kirchen und diakonischen Einrichtungen an der Aktion T4, der systematischen Ermordung behinderter und kranker Menschen im Dritten Reich. Der Film relativiert damit den Mythos des kirchlichen Widerstandes und entlarvt so manchen gefeierten Helden als Kollaborateur.

Leider ist dieser wichtige Film in den Archiven des Hessischen Rundfunkes verschwunden und wurde nie mehr gezeigt. Generell scheint das Thema Euthanasie im Dritten Reich bei den öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten kein grosses Thema zu sein - Trotz den eskalierenden Zuständen in Pflegeeinrichtungen, den Diskussionen um pränatale Diagnostik und Sterbehilfe und der zunehmenden Reduzierung des Menschen auf sein Kosten-Nutzen-Verhältnis im Allgemeinen.

Da der HR kein Interesse mehr an der Dokumentation "Alles Kranke ist Last" zu haben schien, haben wir uns vor zweieinhalb Jahren erlaubt, im Sinne von Art. 45a des deutschen Urheberrechtsgesetzes, eine Privatkopie des Filmes zu digitalisieren, für sinnesbehinderte Menschen Untertitel und eine Abschrift zu erstellen und das Ganze auf Youtube hochzuladen. Wir haben selbstverständlich auf die beiden Macher und den Urheber des Filmes verwiesen, wobei wir versehentlich die ARD anstatt den HR als Urheber angegeben haben. Der Film fand seither wieder einige Beachtung und wir haben viele positive Reaktionen bekommen.

Am 19. März diesen Jahres wurden die Videos dann aber Aufgrund einer Beschwerde der ARD von Youtube gesperrt, was uns sehr irritiert. Der mit GEZ-Gebühren und somit von der Allgemeinheit finanzierte Film wurde vom HR 25 Jahre lang nicht mehr beachtet. Erst seit wir diese barrierefreie Kopie online gestellt haben, war er für Interessierte wieder zugänglich. Wir haben also den HR keineswegs konkurrenziert. Auch haben wir keinerlei Werbung geschaltet, um an dem Werk Geld zu verdienen. Wir haben ganz im Sinne Ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages gehandelt und uneigennützig zu geschichtlicher Aufklärung beigetragen.

Dennoch beharrt man von Seiten des HR's aus "redaktionellen und rechtlichen Gründen" (Was das genau für Gründe sind wurde uns nicht mitgeteilt) auf dem Veröffentlichungsverbot, ohne eine Alternative anzubieten. Auch behinderte Menschen haben ein Recht auf ihre Geschichte und wir bitten Sie, Herr Dr. Reitze, dieses Recht zu respektieren und dafür zu sorgen, dass der Film wieder in einer barrierefreien Weise öffentlich zugänglich gemacht wird - Sei dies nun, in dem Sie uns erlauben, den Film wieder online zu stellen, oder in dem Sie ihn auf einer eigenen, für behinderte Personen zugänglichen Plattform zur Verfügung stellen, sodass wir darauf verlinken können. Die Untertitelte Privatkopie sowie die Abschrift stellen wir Ihnen gerne zur freien Verfügung.

Hochachtungsvoll, David Siems

1 Kommentar:

  1. Grob fahrlässiger Umgang mit der historischen Last des Monströsen in öffentlich-rechtlicher Verantwortung:
    sogar nach 70 Jahren werden unbequeme Wahrheiten über Kontinuitäten und Beitragstaten zum
    - eugenisch-ökonomistisch begründeten,
    - rassenideologisch-menschenökonomisch motivierten,
    - staatlich durchorganisierten,
    - durch viele Instanzen und Institutionen ermöglichten und realisierten,
    - fast gesamtgesellschaftlich gebilligten und
    - ein halbes Jahrhundert lang nahezu verschwiegenen
    Kapital-Systemverbrechen des systematisch-industriellen Massenmordes und Ausrottungsversuches der als "lebensunwert" und unheilbar eingestuften schwerbehinderten und kranken Menschen weiterhin unterdrückt.
    Diesmal mit äußerst fadenscheinigen Begründungen.

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