Samstag, 23. Juni 2012

Geschönte Zahlen bei der Invalidenversicherung (Quelle: SALDO Nr. 12 , 20. Juni 2012, Autor: Eric Breitinger)

Die Invalidenversicherung übertreibt ihren Erfolg bei der Betrugsbekämpfung. Die publizierten Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen.

Der „Tagesanzeiger“ titelte mit : „320 IV- Betrüger aufgeflogen“.“320 IV-Betrüger blieben hängen“, schrieb die „Berner Zeitung“. „320 IV-Betrüger sind letztes Jahr aufgeflogen“ meldete die „Basler Zeitung“. Viele Schweizer Medien übernahmen vor kurzem unkritisch die Angaben des Bundesamtes für Sozialversicherungen zur Betrugsbekämpfung in der Invalidenversicherung (IV) im vergangenen Jahr.

Nur: Bei den „320 Fällen“, in denen sich laut amtlicher Mitteilung „der Verdacht bestätigte“, handelte es sich nicht um verurteilte IV-Betrüger. Vielmehr hatten die 320 Betroffenen „ungerechtfertigt“ Renten bezogen, wie das Bundesamt auf Anfrage bestätigt. Die IV hatte ihre Renten nach einer Überprüfung gekürzt, aufgehoben und oder einen Antrag auf eine Rente abgelehnt. Mögliche Gründe: Der IV-Bezüger hatte bei einer erlaubten Teilzeitbeschäftigung ein zu niedriges Einkommen angegeben oder ein höheres Arbeitspensum nicht sofort gemeldet. Ein Sprecher des Bundesamtes behauptet auf Nachfrage, dass diese Leute eine bewusste Täuschung begangen hätten. Beweisen kann die Behörde das nicht.

Kostenersparnis: Zahlen ebenfalls frisiert

Denn in der Pressemitteilung steht auch: Nur 30 der 320 Betroffenen stehen unter tatsächlich unter Betrugsverdacht. Die IV hat gegen sie Anzeige erstattet. Doch selbst bei diesen 30 Personen ist das Strafverfahren noch nicht beendet. Längst nicht jede Anzeige führt zu einer Verurteilung. Eine Statistik über rechtskräftig verurteilte Betrüger führt die IV nach eigenen Angaben nicht.

Mit Vorsicht zu geniessen sind auch die Angaben des Bundesamtes zum angeblichen finanziellen Erfolg der Betrugsbekämpfung. Offiziell waren im letzten Jahr 40 Vollzeitangestellte damit beschäftigt. Personalkosten 6.8 Millionen Franken. Ihre Arbeit soll der IV insgesamt 100 Millionen Franken Kosten gespart haben. Das Bundesamt kommt nach eigenen Angaben auf diese Zahl, in dem es die durchschnittliche Schweizer IV-Jahresrente von 20 000 Franken mit der durchschnittlichen Bezugsdauer von 15 Jahren und den 320 Fällen multipliziert. Der Haken: Die IV hat einen Teil der 320 Renten nur gekürzt, nicht gestrichen. Zudem stehen nicht alle 320 Rentner am Anfang des Rentenbezugs. Fazit: Die Kostenersparnis ist bei weitem nicht so hoch wie angegeben.

„IV-Bezüger stehen unter einem generellen Missbrauchsverdacht“

Der Zürcher Rechtsanwalt und Sozialversicherungs-Spezialist Kurt Pfändler kritisiert die „hochgerechneten Erfolge der IV bei der Betrugsbekämpfung als übertrieben.“ Gleich tönt es bei Bruno Schmucki vom Behindertenverband Procap: „ Das Bundesamt für Sozialversicherungen bauscht mit Zahlentricks den IV-Missbrauch zum Problem auf.“ Schmucki beklagt den „politischen Flurschaden „dieser Strategie: „Wir spüren bei der täglichen Arbeit, dass alle IV-Bezüger unter einem generellen Missbrauchsverdacht stehen.“ Dabei standen im letzten Jahr letztlich nur 30 von total 275 000 IV-Bezügern unter einem konkreten Betrugsverdacht.

Samstag, 9. Juni 2012

Auszug aus einer Diskussion zum Thema Behindertenbetreuung

Ingrid Pütz:
Ist doch so, wenn die Betroffenen selbstständiger werden, brauchen sie keine Betreuer und sie wären arbeitslos. Also muss Abhängigkeit geschaffen werden.

Anja Hübner:
Dabei ist diese Befürchtung komplett unbegründet. Betreuung hat ja nichts mit Bevormundung oder Gängelei zu tun. Man kann auch betreuen ohne seinen Schützling zu einem unselbstständigen Hündchen abzurichten. Man sollte es sogar denn so ist es eigentlich vorgesehen. Aber wenn dann diese Hobbydiktatoren ankommen die der Einfachheit halber lieber Sozialpädagogik studieren um dann ganz entspannt einen Beruf auszuüben ohne tatsächlich arbeiten zu müssen, dann wird's echt unschön. Solche Leute gehören vielleicht als Trainer auf den Hundeplatz oder zu "Problem-Teenies" um die wieder auf die richtige Bahn zu zwingen, aber nicht in Bereiche in denen sie auf Wehrlose losgelassen werden. Es ist halt viel entspannter die Leute mit ununterbrochenen Anweisungen (oder z.B. in Altenheimen mit Medikamenten) ruhig zu stellen um dann in aller Ruhe mit den anderen "Betreuern" Käffchen trinken zu können, als sich wirklich mit den Schutzbefohlenen zu befassen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und umzusetzen. Da aber leider die breite Masse und vor allem auch die Gesetzgebung "froh ist dass sich überhaupt irgendjemand so etwas antut und um diese Leute kümmert"(O-Ton in einer Diskussion mit einem Berliner Politiker) wird es wohl noch ein langer und harter Kampf bis diese Zustände komplett abgeschafft sind.

Ich danke den beiden Damen, dass Sie mir erlaubt haben, das hier zu zitieren. Sie bringen es wirklich auf den Punkt.